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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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hätte man ihn für einen Ausländer halten können, obwohl er keinen Akzent hatte… höchstens einen leicht amerikanischen Einschlag, fand ich. «Sie können mir doch aber wenigstens sagen, ob Sie sie mochten oder nicht?», fragte Poirot liebenswürdig.
    Mr Reiter wurde rot und stammelte: «Sie war eine reizende Dame… bezaubernd. Und intelligent, höchst intelligent… jawohl.»
    « Bien! Sie mochten Sie also? Und mochte sie Sie?»
    Mr Reiter wurde noch röter. «Oh… ich glaube kaum, dass sie überhaupt Notiz von mir nahm. Und ich hatte ein- oder zweimal Pech. Ich benahm mich immer ungeschickt, wenn ich etwas für sie tun wollte. Ich ärgerte sie durch meine Unbeholfenheit, aber dafür konnte ich nichts… ich hätte gerne alles für sie getan…»
    Poirot unterbrach ihn mitfühlend: «Ich verstehe… ich möchte jetzt etwas anderes wissen. War die Atmosphäre im Haus glücklich?»
    «Wie bitte?»
    «Waren Sie alle glücklich? Lachten und plauderten Sie miteinander?»
    «Nein… nicht gerade. Man war sogar etwas… steif.» Er schwieg einen Augenblick, kämpfte mit sich und erklärte dann: «Wissen Sie, ich bin kein Gesellschaftsmann, ich bin schwerfällig, schüchtern. Dr. Leidner war immer sehr nett zu mir. Es ist dumm… aber ich kann meine Schüchternheit trotzdem nicht überwinden. Ich sage immer das Falsche. Ich habe einfach Pech.»
    Er sah wirklich aus wie ein betrübtes großes Kind.
    «So sind wir alle, wenn wir jung sind», tröstete ihn Poirot. «Die Ausgeglichenheit, das savoir faire, kommt später.»
    Dann verabschiedete er sich von Mr Reiter.
    Auf dem Rückweg sagte er sinnend: «Der ist entweder ein ungewöhnlich simpler junger Mann oder ein großer Schauspieler.»
    Ich schwieg und dachte mit Grauen daran, dass einer dieser Menschen ein kaltblütiger, gefährlicher Mörder sein musste, doch an diesem ruhigen herrlichen Morgen kam mir der Gedanke eigentlich völlig unmöglich vor.

21
     
    W ir gingen langsam weiter, und bald kamen wir zur so genannten «tiefen Grube», wo Mr Mercado die Ausgrabungen leitete. Als wir ihn sahen, fragte mich Poirot unvermittelt: «Ist Mr Mercado Rechts- oder Linkshänder?»
    Ich überlegte einen Augenblick und antwortete dann bestimmt: «Rechtshänder.»
    Mr Mercado schien sich über unseren Besuch zu freuen; sein melancholisches langes Gesicht leuchtete auf. Monsieur Poirot täuschte ein archäologisches Interesse vor, das er meiner Ansicht nach bestimmt nicht besaß, aber Mr Mercado ging voll Begeisterung darauf ein und erklärte ihm, dass sie an dieser Stelle bereits bis zur zwölften Häuserschicht vorgedrungen seien, die aus dem vierten Jahrtausend vor Christi Geburt stamme.
    Er zeigte uns zerbrochenes Tongeschirr, wobei seine Hände so stark zitterten, als habe er Malaria. Gerade als er sich bückte, um ein Messer aus Flintstein aufzuheben, das zwischen einigen Töpfen in einer Ecke lag, sprang er plötzlich mit einem Schrei in die Höhe. Poirot blickte ihn erstaunt an. Mr Mercado klatschte mit seiner Hand auf den linken Arm. «Etwas hat mich gestochen… wie mit einer glühenden Nadel!», rief er klagend.
    Sofort packte Poirot Mr Mercados Arm und rollte den Ärmel seines Hemdes bis zur Schulter hoch. «Rasch, mon cher, zeigen Sie es Schwester Leatheran.»
    «Da!» sagte Mr Mercado und deutete auf einen kleinen roten Punkt etwa eine Handbreit unter der Schulter, aus dem etwas Blut tropfte.
    «Merkwürdig», sagte Poirot, «ich kann nichts sehen. Vermutlich eine Ameise?»
    «Ich werde etwas Jod darauf geben», sagte ich, denn ich habe stets einen Jodstift bei mir. Ich betupfte also die Stelle damit, war aber nicht sehr bei der Sache, da ich voll Staunen sah, dass Mr Mercados Unterarm bis zum Ellbogen mit kleinen Stichen übersät war. Ich wusste sehr gut, was das bedeutete: Es waren die Spuren einer Injektionsspritze!
    Mr Mercado rollte den Ärmel wieder hinunter und setzte seine Erklärungen fort. Monsieur Poirot hörte zu, machte aber nicht den Versuch, das Gespräch auf Mrs Leidner zu bringen, er fragte Mr Mercado überhaupt nichts.
    Nachdem wir uns verabschiedet hatten, fragte mich Poirot: «Das habe ich doch gut gemacht?»
    «Gut gemacht?»
    Monsieur Poirot zog etwas hinter seinem Rockaufschlag hervor und betrachtete es schmunzelnd. Zu meiner Überraschung sah ich, dass es eine Stecknadel war.
    «Monsieur Poirot», rief ich, « Sie…? »
    «Jawohl. Ich war das stechende Insekt. Und ich habe es doch gut gemacht, nicht wahr? Sie haben nichts gemerkt?»
    Das

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