Mord in Oxford
Vielleicht hat sie so ein dickes Teleobjektiv benutzt, wie es Paparazzi verwenden, um Mitglieder der königlichen Familie beim Sonnenbaden abzulichten.«
»Und warum bist du auf sie eingegangen? Warum bist du nicht einfach aufgestanden, gerade du, und hast ihr erklärt, sie solle sich zum Teufel scheren?« (O Gott, dachte Kate, vielleicht hast du genau das getan und nur noch ein bisschen nachgeholfen.)
»Ich musste einlenken. Auf keinen Fall hätten meine Vorgesetzten von mir und Carey erfahren dürfen. Jedenfalls nicht vor dem Ende des Schuljahrs, weil ich dann erst die Probezeit überstanden habe. Also habe ich getan, was sie wollte. Aber als sie uns dazu drängte, Roses Dosen zu stehlen, wurde mir plötzlich klar, wie ich mich von ihr befreien konnte. Ich brauchte nur den gleichen Plan zu benutzen und die Bilder zu stehlen, die sie von uns gemacht hatte.«
»Aber heutzutage kann man doch niemanden mehr damit schocken, dass ein unverheiratetes Paar miteinander schläft. Noch nicht einmal, wenn sie dabei merkwürdige Kleider tragen und eine von beiden zufällig Schulleiterin ist. Das ist doch nichts Besonderes.«
»Immerhin habe ich Carey über eine meiner Schülerinnen kennen gelernt. Er ist der Bruder von Helena Stanton. Ihre Eltern haben meistens viel zu viel zu tun, um zu irgendwelchen Sprechtagen zu kommen. Carey ist ganz vernarrt in seine Schwester, also nimmt meistens er daran teil. Er kam auch zu mir, als wir feststellen mussten, dass sie zu Partys ging und sich mit Ecstasy voll stopfte. Damit hat alles angefangen. Wir kamen überein, dass ich mein Bestes tun sollte, die Polizei außen vor zu halten; zum Dank dafür lud Carey mich zum Italiener ein.« Grimmig starrte sie die blank polierten Spitzen ihrer braunen Schuhe an. »Also, um ganz ehrlich zu sein: Wir fuhren mit meinem Auto, und ich habe für das Essen bezahlt. Trotzdem hat es so begonnen. Wahrscheinlich war es ein Fehler, mit ihm auszugehen, findest du nicht?«
»Zumindest nicht besonders schlau.«
»Ich weiß gar nicht, wieso ich nicht alle Bilder mitgenommen habe. Yvonne ging äußerst methodisch vor. In ihrer Wohnung war ein Aktenschrank und ein Ordner mit meinem Namen drauf. Als ich das letzte Mal bei ihr war, habe ich gesehen, wie sie den Schlüssel in die oberste Schublade ihres Schreibtisches gelegt hat. Aber den Schlüssel brauchte ich gar nicht, der Schrank war nämlich schon offen. Ich nahm den Ordner und stopfte ihn in meinen Trainingsanzug. Wir sahen alle so feucht und abgerissen aus, dass niemand etwas bemerkt hat.«
»Und die Negative?«
»Sie waren in einem kleinen Umschlag, der mit meinem Namen versehen war und mit den Daten, wann sie aufgenommen worden waren. Selbstverständlich trug ich Handschuhe.«
»Du hast erzählt, dass um sie herum überall Fotos lagen.«
»Ja. Komisch, nicht wahr?«
»Nicht, wenn ein anderes Opfer vor dir dort war und die Fassung verloren hat. Wahrscheinlich hat die Polizei die Fotos von dort.«
»Ich habe keine von mir dort gesehen, aber ich hatte auch nur eine kleine Taschenlampe und habe mich nicht mit Suchen aufgehalten.« Sie schloss die Augen und schien einen Augenblick auf ihrem Stuhl zu schwanken. »Großer Gott, es war einfach schrecklich. Kate, du lässt mich doch nicht hängen? Bitte!«
»Ich habe gesagt, ich gebe dir vierundzwanzig Stunden. Aber das war, bevor ich das alles erfahren hatte. Verheimlichst du mir noch etwas anderes? Wie soll ich dir nur vertrauen?«
Camilla seufzte und senkte den Blick wieder auf ihre Schuhspitzen. »Aus dem gleichen Grund, weshalb ich dir vertrauen und glauben muss. Eine von den Frauen auf den Fotos hättest ebenso gut du sein können. Du hättest genauso viel Gelegenheit gehabt, Yvonne zu töten, wie ich. Aber ich glaube es nicht, ich kann einfach nicht glauben, dass du es warst. Und warum nicht? Weil wir uns seit über zwanzig Jahren kennen. Weil wir Freundinnen sind. Weil ohne dieses Vertrauen unser ganzes Leben nur noch Makulatur wäre. Wir würden voneinander wegtreiben und nicht wissen, ob wir Fuß fassen können oder nur auf Treibsand treffen.«
»Das ist kitschiger, sentimentaler Mist.« Kate grinste Camilla an. »Aber es ist wahr.«
»Und was passiert jetzt?«
»Ich muss Yvonnes Mörder finden. Immerhin steht die Makulatur unseres Lebens auf dem Spiel, solange wir nicht wissen, wer es getan hat. Du musst mir helfen und mir alles erzählen, was du weißt. Aber wirklich alles, Millie. Keine falsche Scham mehr. Denn ich muss die Antwort
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