Mord in Oxford
Spalt ins Haus. Das Gesicht der Frau verfinsterte sich. »Nun?«, sagte sie. »Was wollen Sie? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
»Freunde der Fridesley Fields«, stellte Kate sich vor. »Wir machen eine Meinungsumfrage, Mrs. Exeter.«
»Meinungsumfrage?«, nuschelte die Frau, aber sie öffnete die Tür ein wenig weiter. Eine Woge überhitzter, miefiger Luft schlug über Kate zusammen. »Und was macht ihr dann damit? Ihr fragt uns Löcher in den Bauch, aber Antworten scheint es keine zu geben.« Sie schlurfte hinter Kate her in das hintere Zimmer. Die Luft war zum Schneiden und attackierte Kates Nase mit weiteren unangenehmen Dünsten. »Vorsicht, die Katze! Setzen Sie sich doch. Sie können das Strickzeug ruhig beiseite legen. Tee mögen Sie wohl nicht, oder? Sie sehen mir eher wie eine Kaffeetrinkerin aus.«
Kate schob das Strickzeug beiseite, nahm auf dunkelbraunem Plüsch Platz, stellte die Füße so, dass sie eine Schale mit pelzigen, grauen Katzenfutterresten möglichst nicht berührten und lehnte Tee, Kaffee und alles andere ab, was sie hätte in den Mund nehmen müssen. Sie blickte auf das erste Blatt ihres Blocks. Es war noch jungfräulich. Redbourne Road 5, schrieb sie in die oberste Zeile. Mrs. Exeter.
»Mein Name ist Kate Ivory«, begann sie.
»Ach ja«, sinnierte Mrs. Exeter, während sie ihr rechtes Ohr mit einem bläulichen Finger erkundete. Ihre blassen Augen sahen Kate an. »Sie sind die, die Bücher schreibt, nicht wahr?«
Kate nickte.
»In der fahrbaren Leihbücherei habe ich mal ein Buch von Ihnen gesehen. Aber ich habe es nicht gelesen. Ich liebe es ein bisschen schärfer.«
»Ach, wissen Sie, man kann nicht immer jeden Geschmack treffen«, sagte Kate und überlegte angestrengt, wie sie das Gespräch auf den Mord lenken sollte. Draußen vor dem Fenster rollte ein Mülleimerdeckel scheppernd über den Bürgersteig und knallte geräuschvoll gegen den Kotflügel eines Ford Escort. »Hatten Sie mit dem Sturm vorletzte Nacht Probleme?«, fragte sie. »Gab es irgendwelche Schäden?«
»Meinen Sie in der Mordnacht? Ach, herrje, da hat man mir auch wieder nur Fragen über Fragen gestellt, die ganze Zeit schon. Nette Jungs, hübsche, saubere Hemden. Aber zum Tee wollten sie nicht bleiben.«
»Ich nehme an, sie haben gefragt, ob Sie irgendetwas gesehen haben.«
»Etwas gesehen, gehört oder gemerkt habe. Mr. Gatlock hat mir einen dicken Stein aus seinem Steingarten für den Mülleimerdeckel geliehen. Dann habe ich die Vorhänge zugezogen, Feuer gemacht und gehofft, dass die Fernsehantenne nicht wegfliegt.« Sie streckte eine mit dicken Adern überzogene Hand aus und streichelte den Kopf einer ausnehmend hässlichen Tigerkatze. »Sie mögen den Sturm nicht, deshalb haben wir zusammen hier drin gesessen.« Sie blickte Kate an. »Ich dachte, Sie wollten mich wegen der Fridesley Fields etwas fragen. Sie sind doch bei den Freunden, nicht wahr?«
»Ja, ja, bin ich«, erwiderte Kate rasch. »Was halten Sie von den Bebauungsplänen, Mrs. Exeter?«
»Die gehören verboten, wenn Sie mich fragen. Hat der Mann nicht schon genug Geld? Ich mag die Hippies auch nicht, aber trotzdem sollte er es nicht tun.«
Kate schrieb »gehört verboten« und »Hippies? Welche Hippies?« auf ihr leeres Blatt. Vielleicht war Yvonne ja von Hippies auf einem Drogentrip ermordet worden. Falls es sich überhaupt um wirkliche Hippies handelte, so wie damals in den Sechzigern. Jedenfalls dürften ihre Studentenausweise mit Sicherheit nicht mehr gültig sein.
»Gehen Sie doch hin und sprechen Sie mit ihnen, wenn Sie mehr darüber wissen wollen. Sie haben immer unten im Postle gewohnt«, sagte Mrs. Exeter. »Ich weiß allerdings nicht genau, ob noch welche da sind und ob sie Sie an sich ran lassen. Eins muss man dieser Mrs. Baight immerhin lassen: Was immer die Leute über sie reden mögen, sie war auf ihrer Seite. Hören Sie bloß nicht auf den Tratsch. Sie hat immer ihren Mann für die ›Freunde‹ gestanden und sich gegen die reichen Fatzkes ins Zeug gelegt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es denen ganz gut in den Kram passt, dass sie aus dem Weg ist.«
Kate kritzelte »zum Postle gehen« auf ihr Blatt. Vielleicht würden andere Nachbarn ihr mehr darüber erzählen können.
»Wissen Sie, um wen es sich bei den ›reichen Fatzkes‹ han delt?«, fragte sie.
»Sie verstecken sich in ihren protzigen Häusern«, sagte Mrs. Exeter. »Aber wir kennen die Leute, die für sie arbeiten. Sie tun so, als würden
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