Mord in Oxford
Tick zu weit. Aber Yvonne bohrte immer weiter. Und lachte mich aus. Es erschien mir erheblich leichter, alles mitzumachen, als mich ihr zu widersetzen und damit auszuliefern. Ich habe schließlich noch fünf Monate Probezeit vor mir, ehe ich wirklich endgültig Schulleiterin bin.
Aber ich war nicht die Einzige, weißt du? Auch Gavin und Penny hatten offenbar Angst, ihr zu widersprechen. Und Barbara? Vielleicht entsprangen die Anrufe, die du bekommen hast, ja wirklich nur der Sorge um eine einheitliche Aussage, aber andererseits stellt sich die Frage, ob ich vielleicht nicht Yvonnes einziges Erpressungsopfer in der Jogginggruppe war.«
»Und mich hast du zum Spürhund erkoren, oder?«, wollte Kate wissen.
»Ach, Kate, du wärst doch stinksauer gewesen, wenn ich jemand anders vorgeschlagen hätte. Du sehnst dich doch geradezu danach, loszulegen.«
»Eigentlich hast du schon Recht. Ich schreibe Romane, weil ich mich für das Leben und die Motivation von Menschen interessiere. Es ist eine fast unwiderstehliche Versuchung, das alles einmal in Wirklichkeit zu erleben. Aber ehrlich gesagt habe ich auch Angst: Was passiert, wenn ich den Mörder tatsächlich finde? Ich möchte es nicht unbedingt auf eine Konfrontation ankommen lassen, denn ich bin ein Feigling wie jeder andere auch, wenn es anfängt, wehzutun.«
»Keine Konfrontation, Kate. Wenn du den Mörder findest, gehen wir beide zur Polizei und erzählen alles, was wir wissen.«
In Romanen funktionierte das nie, aber vielleicht war das richtige Leben ja anders. Vielleicht aber auch nicht.
12. KAPITEL
A
m Nachmittag verließ Kate das Haus. In der Hand trug sie einen Block; ein selbst gemachtes Namensschild zierte den Kragenaufschlag ihres schlichten, dunklen Mantels. Ihr helles Haar hatte sie unter einer Wollmütze verborgen, und ihre Füße steckten in dicken schwarzen Strumpfhosen und bequemen Stiefeln.
Auf der Redbourne Road war nicht viel los. Vor Yvonnes Haustür war ein uniformierter Wachtmeister postiert. Manchmal blieben Leute stehen, starrten das Haus an und gingen weiter, worauf andere, ebenso Neugierige, ihren Platz einnahmen. Kate entschloss sich, am anderen Ende der Straße zu beginnen. Sie hatte keine Lust, mit ihrem Schreibblock das Interesse eines Beamten zu wecken, und auf eine nähere Begutachtung ihres Namensschildes legte sie ebenfalls keinen Wert. Und am allerwenigsten wollte sie zufällig Detective Sergeant Paul Taylor in die Arme laufen, der sicher noch ein paar Fragen für sie auf Lager hätte.
Nervös näherte sie sich der ersten Haustür, wo sie schüchtern klingelte. An diesem Ende der Redbourne Road standen schmale Reihenhäuser aus der späten Viktorianischen Epoche, mit kleinen Erkerfenstern im Erdgeschoss und winzigen Vorgärtchen, die den Eingang vom Bürgersteig trennten. Nummer eins war grau gestrichen und hatte einen gepflegten Vorgarten. Laut Wählerverzeichnis wohnte in diesem Haus ein Ehepaar namens Flint.
Nachdem sie geschellt hatte, musste Kate einen Augenblick warten, ehe im Obergeschoss ein Fenster aufgerissen wurde, aus dem sich eine Frau lehnte und unwirsch fragte. »Ja?«
»Mrs. Flint?«
»Wenn Sie mit meinem Mann sprechen wollen – der ist nicht da. Außerdem geht er sowieso nie zur Wahl.« Sie zog den Kopf zurück und knallte das Fenster zu. Nur die leichte Bewegung des grauen Vorhangs bewies, dass sie überhaupt je existiert hatte. Kate starrte noch einen Moment nach oben, fragte sich frustriert, ob alle ihre Versuche so unbefriedigend enden würden, und machte sich schließlich auf den Weg zur nächsten Tür.
Das Haus hatte bunte Holzklappläden. Blumenkästen mit Schneeglöckchen und den ersten Spitzen von Osterglocken hingen vor den Fenstern. Hier wohnten zwei Leute mit unterschiedlichen Nachnamen. Kate klopfte mit einem Messing-Türklopfer, der einen Delfin darstellte. Niemand da. Wenn es auf diese Weise weiterging, wäre sie in einer Stunde mit der ganzen Straße fertig, allerdings ohne die geringste verwertbare Information.
Nummer fünf hatte keine Klingel. Kate rappelte am Briefkasten. Hinter der Tür war ein schlurfendes Geräusch zu hören, sie öffnete sich einen winzigen Spaltbreit und entließ eine warme Wolke Franzbranntwein mit einem leichten Abgang von Katzenklo. Eine Frau mit schütterem weißen Haar und einem im Alter geschlechtslos gewordenen Gesicht blickte zu Kate auf. Aus dem Garten schoss eine laut maunzende Katze zwischen Kates Beinen hindurch und schlängelte sich durch den schmalen
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