Mord in Oxford
bin?«, rief Kate entsetzt, als sie endlich merkte, worauf er hinauswollte.
»Nicht unbedingt«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. »Aber falls …«
»Nur weil ich Bücher schreibe und davon lebe, halten Sie mich also für eine Nutte. Wahrscheinlich schnüffeln Sie deshalb auch die ganze Zeit hier herum, während ich mit Ihnen rede. Was suchen Sie? Shit? Kokain? Hoffentlich haben Sie die leeren Ginflaschen in meiner Mülltonne nicht übersehen. Und Sie sollten unbedingt die Nachbarn fragen, wie viele Männer mich hier jeden Abend besuchen. Aber ich darf Sie beruhigen: Ich verbringe den größten Teil meines Arbeitstages am PC, und als Ausgleich mache ich ein wenig Gymnastik. Normale Gymnastik, nicht etwa in der Horizontalen. Manchmal gehe ich auch in die Bibliothek und recherchiere für meine Romane. Mein Gott, seid ihr alle einfach gestrickt!«
»Wen meinen Sie mit ›ihr alle‹?«, fragte Paul Taylor milde. »Den sexistischen, rassistischen Polizisten, der Frauen mit einer Hand herumschubst und mit der anderen auf Seite drei weiterblättert? Die Faschistenschweine? Die männlichen Verschwörer, die während der letzten fünftausend Jahre Frauen auf den Knien vor sich haben herumrutschen lassen?«
»Na ja …«, sagte Kate.
»Glauben Sie wirklich, dass ich nur so zum Spaß aufdringliche Fragen stelle? Meinen Sie, das macht mich an? Ich sage es Ihnen klipp und klar: Wir wollen den Schweinehund haben, und wir brauchen alle Hilfe, die wir bekommen können. Also denken Sie bitte noch einmal darüber nach und rufen Sie an, wenn Ihnen etwas einfällt.«
Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte Kate sich versucht, ihm alles zu erzählen, was sie wusste, einschließlich der Identität der Frau im rosa Kleid. Aber dann entdeckte sie, dass er ihren ganzen schönen, mühsam wie zufällig arrangierten Nippes in Reih und Glied auf dem Kaminsims angeordnet hatte, sodass die Figürchen in einer geraden, durch ordentliche Ein-Zentimeter-Abstände getrennten Prozession zu marschieren schienen. Nein, er würde es nicht verstehen. Er und seine eingleisig denkenden Kollegen würden nie in der Lage sein, den Knoten zu entwirren, der Yvonnes Leben gewesen war; sie würden den Mörder nicht finden. Das musste sie schon selbst in die Hand nehmen.
Kaum war Detective Sergeant Taylor gegangen, rief sie Camilla in der Schule an. Es war ihr egal, ob sie ungelegen kam; sie musste einfach mit ihr reden.
»Warum zum Teufel hast du mir das nicht gesagt?«, schimpfte sie in den Hörer, als man sie endlich durchgestellt hatte. »Die Frau hat dich erpresst, richtig? Deswegen bist du zu ihr gegangen. Du wolltest deine Fotos holen. Habe ich Recht, Camilla?«
»Ja«, antwortete Camilla sehr langsam. »Und ich hatte Erfolg. Aber jetzt geht das niemanden mehr etwas an.«
»Falsch. Ganz und gar falsch.«
Am anderen Ende entstand eine kleine Pause, dann stöhnte Camilla plötzlich auf: »Oh mein Gott! Das kann doch nicht sein!« Wieder wurde es still. Kate wartete. »Scheiße. Ich kann nicht reden. Nicht jetzt und hier.«
»Wann? Beim Mittagessen?«
»Das geht. Um fünf nach eins bei dir.« Mit diesen Worten legte Camilla auf.
»Du musst mir unbedingt erzählen, wie du erpresst worden bist«, sagte Kate. »Du siehst ja, Erpresser werden ermordet. Irgendwann haben die Opfer es satt, auszubluten. Sie drehen den Spieß um. Schließlich haben sie nicht viel zu verlieren.«
»Ihr ging es nicht um Geld«, erklärte Camilla.
»Um was dann?«
»Macht, nehme ich an. Sie liebte es, wenn die Leute taten, was sie wollte. Vor allem, wenn es gegen ihren eigenen Willen und gegen ihren Charakter verstieß. Es amüsierte sie. So, wie ich Yvonne einschätze, hat sie wahrscheinlich auch Schmetterlingen die Flügel ausgerissen. Nur so zum Spaß. Sie hatte einen sehr ausgefallenen Sinn für Humor.«
»Du warst nicht ihr einziges Opfer, weißt du? Auf den Fotos waren noch zwei andere Frauen.«
»Hast du sie erkannt?«
»Nein. Dich hätte ich auch nicht erkannt, wenn das Kleid nicht gewesen wäre. Und wer war der Mann? Carey?«
»Kein anderer kommt in Frage.«
»Die Polizei glaubt, dass er auch auf den Bildern mit den beiden anderen Frauen ist. Die Jungs sind ganz wild darauf, seine Identität herauszufinden und ihn zu vernehmen.«
»Er dürfte kaum der Typ sein, der zur Polizei geht und sich freiwillig stellt. Von der Seite habe ich wenig zu befürchten.«
»Wo hatte Yvonne die Fotos her?«
»Keine Ahnung. Ich weiß, dass sie Hobbyfotografin war.
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