Mord in Oxford
Sergeant Paul Taylor aufrichtig an und blickte ihm gerade in die Augen. »Leider nein«, sagte sie.
Er lehnte sich zurück. Seine Stimme klang vorsichtig und keineswegs anklagend.
»Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum die Leute der Polizei Informationen vorenthalten. Dahinter stecken nicht immer wichtige oder gar kriminelle Beweggründe. Die meisten Menschen finden es ganz und gar nicht angenehm, in etwas verwickelt zu werden, und haben Angst, dass ein wenig von dem Schmutz an ihnen kleben bleiben könnte. Vor allem bei einem Delikt wie Mord wollen wir uns einfach nicht eingestehen, dass so etwas Schreckliches tatsächlich auch in unserer unmittelbaren Umgebung passieren kann. Obwohl das lächerlich ist, finden Sie nicht?« Er hielt inne, aber Kate lächelte ihn weiter nur strahlend an. »Sie sind eine intelligente, gebildete Frau. Sie haben doch solche Befürchtungen nicht, oder?«
»Aber natürlich nicht«, antwortete Kate.
»Es gibt aber auch Leute, die meinen, sie müssten einen Freund decken. Die glauben, dass es nicht sehr nett ist, Geschichten über andere zu verbreiten. Eine recht kindische Haltung, finden Sie nicht auch?«
»Sehr«, nickte Kate und dachte an das, was ihr im Alter von zehn Jahren geschehen war.
»Erpressung ist wirklich eine überaus unerfreuliche Angelegenheit«, erklärte Detective Sergeant Taylor, stand auf und ging zum Kamin hinüber.
»Es geht also um Erpressung?«, fragte Kate. Sie musste sich jetzt umdrehen, um ihn anzusehen.
Er ignorierte ihre Frage und richtete die Katze aus Staffordshire-Steingut und eine Schnecke aus dem Oxfam-Laden ordentlich nebeneinander auf dem Kaminsims aus. »Merkwürdigerweise gibt es selbst bei den nettesten Leuten immer ein paar Dinge, die sie sorgfältig vor dem Rest der Welt zu verbergen suchen.«
»Man schiebt diese Verhaltensweise gern auf Eva und ihren Apfel«, bemerkte Kate und sah ihm zu, wie er die geschnitzte Holzbirne gerade rückte und die silberne Jugendstil-Parfümflasche auf den gleichen Abstand brachte. »Es hat wohl etwas mit Scham zu tun.«
»Aber in einer Morduntersuchung sollte man differenzieren, was wichtig ist und was nicht.«
Er griff in die Innentasche und förderte einen großen braunen Umschlag zu Tage.
»Immerhin läuft ein Mörder frei herum«, sagte er, »und solange wir nicht wissen, wer es ist, können wir auch nicht feststellen, ob noch jemand anders in Gefahr ist.«
Er riss den Umschlag auf und entnahm ihm acht bis zehn Fotos. Kate sah, dass sie nicht hochglänzend, sondern matt entwickelt worden waren. Der Polizist reichte ihr die Fotos. Bildete sie sich das nur ein, oder rochen sie wirklich nach totem Fleisch?
»Angesichts dessen, was wir gerade besprochen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie jemanden auf diesen Fotos erkennen, Miss Ivory?«
Es war nicht leicht. Auf den Fotos waren nämlich keine Gesichter zu sehen. Es handelte sich um Nahaufnahmen gewisser Teile der männlichen und weiblichen Anatomie, und zwar jener Teile, die man im normalen gesellschaftlichen Umgang nicht unbedingt zu Gesicht bekam. Auf einem Foto war im Hintergrund Kates Lieblingsposter zu sehen, auf dem eine rote Canna-Lilie abgebildet war. Plötzlich stutzte sie. Sie war sich darüber klar, dass sie über das Foto so schnell hätte hinweggehen müssen wie über alle anderen, wenn sie den Polizisten an der Nase herumführen wollte, aber sie konnte nicht anders. Eine der Personen auf dem Bild trug ein pinkfarbenes, mit Pailletten besticktes Chiffonkleid. Kate hatte dieses Kleid schon einmal gesehen. Zwar erkannte sie weder den Arm noch die dazugehörige Hand, die ebenfalls auf dem Foto abgebildet waren, aber sie gehörten zu einem eher jungen Mann, und Kate konnte sich denken, um wen es sich handelte.
Sie nahm sich viel Zeit, um die restlichen Bilder zu betrachten, begutachtete ausgiebig jedes einzelne Detail und bemühte sich, jedes Foto mindestens so lange anzuschauen wie das von der Frau im rosa Kleid. Schließlich gab sie dem Kriminalbeamten den ganzen Stapel zurück und schüttelte bedauernd den Kopf.
»Wir vermuten, dass auf den Fotos zwar drei verschiedene Frauen abgebildet sind«, sagte er, »wahrscheinlich aber alle mit demselben Mann. Wir würden ihn gern so bald wie möglich vernehmen. Die Frauen selbstverständlich auch. Wenn sich eine von ihnen zu erkennen gäbe, würden wir uns natürlich zur Diskretion verpflichten, so wie immer.«
»Glauben Sie etwa wirklich, dass ich eine von den Frauen auf den Fotos
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