Mord in Oxford
eins gelesen und uns gefragt, woher Sie die Ideen nehmen«, berichtete Miss Reeny – oder Miss Price.
»Ach, das fällt mir eben so ein«, sagte Kate und beobachtete dabei den grün-roten Papagei, der immer noch auf seiner Schaukel schwang. »Ich bemühe mich, die Augen offen zu halten.«
»Pass bloß auf, was du sagst, Price«, sagte Miss Reeny und löste damit zumindest eines von Kates Problemen, »sonst findest du dich in ihrem nächsten Buch wieder.«
»Nicht, nachdem dieser Mord passiert ist«, meinte Miss Price. »Ich vermute, sie wird eher darüber schreiben als über zwei alte Schachteln wie uns.«
Mittlerweile hatten sie alle drei Platz genommen. Kate steckte so tief in einem der karierten Sessel, dass sie sich allen Ernstes fragte, wie sie je wieder auf die Beine kommen sollte.
»Ja, ist das nicht schrecklich?«, ermutigte Kate die beiden alten Damen. »Wie konnte so etwas nur in dieser netten Nachbarschaft und ausgerechnet einer so freundlichen Frau passieren?«
»Na ja, ob sie wirklich so freundlich war?«, meinte Miss Price. »Wenn Sie jemals eine Wurzelbehandlung bei ihr erlebt hätten, läge Ihnen vielleicht der Gedanke an Mord gar nicht so fern. Ihr Lieblingssatz war: ›Jetzt könnte es ein bisschen ziepen‹, und dann steckte sie einem den Bohrer in den Mund und zielte genau auf den Nerv. Ich hätte es allerdings nicht bei einem kurzen Hieb auf den Kopf bewenden lassen, sondern hätte mir eher eine langsame, schmerzhafte Todesart ausgedacht.«
Allmählich wurden Kate die beiden alten Fräuleins richtig sympathisch. Sie hatte durchaus ähnliche Empfindungen gehabt, als Yvonne Baight ihre Sammlung spitzer Instrumente hervorgekramt und begonnen hatte, an Kates grundsolidem, fest sitzendem Zahnstein herumzukratzen. O ja, sie hatte gesagt: ›Das ist immer ein bisschen unangenehm‹, als sich Kate, halb wahnsinnig vor Schmerz, die kleine, sprudelnde Pumpe aus dem Mund gerissen und sie auf den glänzenden Vinylboden geworfen hatte.
»Ist sie so ums Leben gekommen?«, fragte sie. Es interessierte sie, wie viel die beiden wussten.
»Das hat man uns zumindest gesagt«, antwortete Miss Reeny, ließ aber offen, wer ›man‹ war. »Außerdem steckte mehr hinter dieser Frau, als es den Anschein hatte. Sie war immer so bemüht, ihren Ruf picobello zu halten, aber wir haben ihn gesehen, und zwar zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten.«
»Wen gesehen?«, fragte Kate.
»Ich sage gar nichts«, erklärte Miss Reeny. »Schließlich bin ich keine Klatschtante, oder, Price? Mich würde nur interessieren, warum er schließlich aufgehört hat, sie zu besuchen.«
»Ich fand es auch richtig, dass du der Polizei von der Nachbarin erzählt hast, die am Abend bei Mrs. Baight war. Was hat sie im strömenden Regen und zur Abendessenszeit dort verloren?«
Kate überlegte, was von alledem sie aufschreiben sollte, und entschied sich schließlich für ein großes Fragezeichen und noch ein Gänseblümchen.
»Für die Freunde der Fridesley Fields war sie ein Geschenk des Himmels, Reeny. Das solltest du nicht vergessen, wenn du auf sie schimpfst«, besänftige Miss Price. »Sie sind doch auch bei den ›Freunden‹, Miss Ivory, nicht wahr? War das nicht der Grund Ihres Kommens?«
Kate nickte heftig und kritzelte ›Freunde Fridesley F.‹ und ›begeisterte Anhänger‹ auf ihren Block.
»Sie hat die Fensteraufkleber drucken lassen«, erzählte Miss Price, »und auch die Poster, die wir zur Halloween-Feier aufgehängt haben. Außerdem hat sie uns ein paar nette Sachen für den Weihnachtsbasar gestiftet. Sie hat wirklich alles darangesetzt, dass dieser Mensch sich nicht an unserer schönen Wiese vergreift und seine scheußlichen Häuser darauf setzen darf.«
»Dem muss ein für alle Mal ein Riegel vorgeschoben werden«, erklärte Miss Price entschlossen. »Dabei haben wir Klage eingereicht und Unterschriftenlisten ans Umweltministerium geschickt. Aber mit seinem Geld kann er solche Sachen anscheinend einfach aus dem Weg räumen.«
Sie saßen Kate gegenüber und starrten ihr ebenso unverwandt ins Gesicht wie die beiden Papageien auf ihren Schaukeln. Kate spürte, dass man von ihr eine Art Wunder erwartete, genau jetzt, in dieser Minute. Und natürlich wollte sie nicht ausgerechnet in einem solchen Moment auf Planfeststellungsverfahren und öffentliche Umfragen zu sprechen kommen. Verlegen blickte sie in ihre Notizen, dann sah sie die Damen Reeny und Price wieder an. Sie hatten zu sprechen aufgehört und warteten
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