Mord in Oxford
offenkundig darauf, dass Kate ging. Heute würde sie von den beiden sicher keine Informationen mehr bekommen; aber das, was sie bereits erfahren hatte, war schließlich auch jede Mühe wert gewesen. Sie rutschte auf der glatten Oberfläche des Sessels nach vorn, stieß sich ab und landete ein wenig schwankend auf ihren Füßen. Die beiden Frauen standen gleichfalls auf.
»Sie haben mir wirklich sehr geholfen«, sagte Kate, »aber jetzt möchte ich Ihre Zeit nicht weiter beanspruchen. Es ist beruhigend zu wissen, dass wir eine so breite Unterstützung genießen.«
Im Hinausgehen fragte sie sich, was aus den Kartoffeln geworden sein mochte. In der Zwischenzeit mussten sie zu Matsch verkocht sein; außerdem war es noch viel zu früh für das Abendessen.
Das nächste Haus auf dieser Straßenseite war das erste größere Anwesen. Hier wohnten Lynda und Theo; dieses Haus hatten die Jogger ausgekundschaftet. War das wirklich erst vorgestern Abend gewesen? Yvonnes Haus lag gleich gegenüber, aber anscheinend war bei Lynda mehr los als in Nummer 36. Vor der Tür parkten zwei Polizeiautos.
Plötzlich ging die Tür auf, und heraus trat eine hoch gewachsene Gestalt in einem dunklen Anzug. Dahinter erschien Lynda; eine Polizistin ging dicht neben ihr und hatte ihr eine Hand auf den Arm gelegt. Den Abschluss bildete ein weiterer großer, düster aussehender Mann. Lyndas Gesicht wirkte sehr blass ohne das gewohnte Make-up. Sie trug ihren roten Daunenanorak und Roses Blumenmütze. Hinter der kleinen Prozession tauchte Theo auf der Treppe auf. Er wirkte zerknittert, war nicht rasiert und sah völlig ratlos aus. Theo sah zu, wie sich die Polizisten auf die beiden Autos verteilten und mit Lynda im Fond des einen Wagens davonfuhren. Kate sah ein Paar harte Augen, die im Wegfahren registrierten, dass sie nur wenige Meter entfernt auf dem Bürgersteig stand und die Szene beobachtete. Sie bemerkte ihren offen stehenden Mund und schloss ihn schnell.
Theo sah den entschwundenen Autos lange nach. Dabei rieb er sich die Arme, als wäre ihm kalt. Schließlich entdeckte er Kate.
»Oh, hallo«, sagte er undeutlich, als ob er gerade erst gemerkt hätte, dass er sie kannte. »Ich kapiere es nicht. Sie haben Lynda mitgenommen und wollen sie vernehmen.«
Kate stieg die Treppe empor und blieb vor der Tür stehen. »Aber warum denn, Theo?«, fragte sie langsam.
»Jemand hat sie gestern Abend zu Yvonne gehen sehen und es der Polizei erzählt. Er konnte sich wohl nicht mehr erinnern, um wie viel Uhr das gewesen war, und das Restaurant, wo wir vorgestern essen waren, wusste nicht mehr, um wie viel Uhr wir dort eingetroffen sind. Jetzt glaubt die Polizei, dass vielleicht Lynda Yvonnes Mörderin ist. Aber warum um alles in der Welt sollte sie so etwas getan haben?«
»Warum ist sie denn rübergegangen?«, wollte Kate wissen.
»Das ist auch ziemlich merkwürdig. Ich wusste gar nicht, dass sie befreundet waren. Yvonne hat angerufen und Lynda gebeten, zu ihr zu kommen. Außerdem hat sie gesagt, sie solle die Oxford-Dose mitbringen – eine kleine, dunkelblau emaillierte Sammel-Dose, an der ich sehr hänge. Warum sie das wohl getan hat? Lynda hat die Dose nicht mit zurückgebracht, und jetzt ist auch noch der Rest der Sammlung verschwunden. Aber Lynda behauptet steif und fest, dass sie damit nichts zu tun hat. Nun weiß ich wirklich nicht mehr, was ich noch glauben soll.«
»Das klingt wirklich sehr rätselhaft«, sagte Kate. »Theo, Ihnen ist kalt. Warum gehen Sie nicht rein und rufen einen Rechtsanwalt an? So, wie sich Ihre Geschichte anhört, dürfte Lynda vermutlich einen brauchen.«
»Meinen Sie wirklich?« Gehorsam wandte sich Theo nach drinnen und schloss die Tür hinter sich.
Schon wieder diese blöde blaue Dose, dachte Kate. Warum sollte Lynda sie zu Yvonne bringen, kaum dass diese gefragt hatte? Kate erinnerte sich an das große Interesse, das Yvonne für Roses Sammel-Dosen gezeigt hatte, und wie viel Spaß ihr die Idee zu machen schien, die ganze Sammlung aus Lyndas Haus zu entwenden. Klar, dass sie den Plan witzig fand; schließlich bedurfte es nur eines kurzen Anrufs ihrerseits, um in den Besitz der Dose zu kommen. Vielleicht war auch Lynda erpresst worden. Zumindest könnte das der Grund sein, warum sie sofort über die Straße gelaufen war, nachdem Yvonne angerufen hatte. Yvonne hatte es auf Macht abgesehen, nicht auf Geld. Sie tat es ausschließlich wegen des Kicks, hatte Camilla gesagt.
Kate drehte sich um und blickte zur Agatha
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