Mord in Oxford
musterte Andrew Kate schweigend. »Nein, ich glaube nicht, dass du Yvonne umgebracht hast«, sagte er schließlich. »Und wenn sie dich erpresst hätte, wüsste ich es bestimmt längst.« Er reichte ihr seinen Teller, und Kate legte nach.
»Kate, das ist wirklich eine dumme Idee«, erklärte er. »Ich möchte nicht, dass du sie in die Tat umsetzt.« Er spießte eine kleine, neue, butterglänzende Kartoffel auf seine Gabel und steckte sie sich im Ganzen in den Mund. »Allerdings bin ich mir bewusst, dass du eine Einmischung in deine Probleme bestimmt nicht schätzt«, setzte er nichts sagend hinzu.
»Danke für dein Verständnis«, lächelte Kate und schenkte ihre beiden Gläser erneut voll.
Wie Kate vorhergesehen hatte, war Andrews gute Laune nach dem Essen voll und ganz wiederhergestellt. Es fehlte ihm an Durchhaltevermögen, selbst das beste Argument auf Dauer zu vertreten.
»Woher willst du wissen, dass ich nicht nach dem Essen zur Polizeiwache in St. Aldate gehe und alles zu Protokoll gebe, was du mir erzählt hast?«
»Dieser Sancerre ist wirklich fantastisch«, sagte Kate. »Man würde dir nicht glauben, weil wir anderen natürlich alles bestreiten. Außerdem weiß ich ganz genau, dass du dich danach sehnst, mir ein paar Ratschläge zu geben, wie ich ein guter Detektiv werde.« Sie legte ihm noch einmal Zuckererbsen mit gerösteten Mandelsplittern vor.
»Weißt du, wer außer Camilla noch erpresst wurde?«, fragte er, als sie beim letzten Glas Wein aus der ersten Flasche angekommen waren. »Du hast ja selbst bereits gesagt«, sinnierte er, während er die zweite Flasche öffnete, »dass die Gruppe sämtliche Vorgänge des bewussten Abends vor der Polizei verschweigt. Das gilt natürlich erst recht, wenn wirklich einer von euch Yvonne umgebracht hat. Können wir irgendjemanden von vorneherein ausschließen? Hat einer von euch seiner Bürgerpflicht genügt und eine Aussage gemacht?«
»Gute Frage«, sagte Kate. »Keiner, soviel ich weiß. Mich eingeschlossen. Was Sophie angeht, kann ich noch nichts sagen. Gestern haben ihr sowohl ihr Arzt als auch ihr Rechtsanwalt verboten, sich überhaupt zu äußern. Aber vielleicht hat sich das heute schon geändert.«
»Wenn sie etwas über euren Dosenfeldzug gesagt hätte, wüsstest du es mit Sicherheit bereits. Wahrscheinlich hätte ich dich schon aus der U-Haft auslösen müssen.«
»Wenn aber keiner es der Polizei gegenüber erwähnt, dann muss ich eben herausfinden, wer sich wann wo aufgehalten hat und was er gesehen hat. Aber nach dem, was ich heute Nachmittag so gehört habe, haben die Dosen absolut nichts mit dem Mord zu tun. Eher schon liegt die Antwort in Yvonnes vehementer Ablehnung des Bebauungsplans. Die Drahtzieher kennen anscheinend keine Skrupel, Andrew. Ich will wissen, wer dahinter steckt und was sie vorhaben.«
»Kann man schon mit Sophie reden?«
»Ich wollte sie morgen anrufen. Bis dahin sollte sie wohl in der Lage sein, mir ein paar Hintergründe zu erläutern. Und da ist noch etwas: Als ich aus dem Papageienhaus kam – Ach? Habe ich dir nicht von diesem Papageienhaus erzählt? Na ja, auch egal! –, wurde ich Zeugin, wie die Polizei Lynda abgeführt hat. Es sah aus, als wäre sie verhaftet worden. Theo sagte allerdings, dass sie nur noch ein paar Fragen beantworten sollte. Er stand völlig hilflos an der Tür und hatte sich die Arme um den Körper gelegt, wie Frauen, wenn sie mit einer Situation nicht fertig werden.«
»Wenn du nicht aufpasst, geht gleich deine Einbildung wieder mit dir durch. Wahrscheinlich haben sie Lynda nur auf die Wache gebracht, damit sie einen Blick auf die Fotos wirft.«
»Man merkt, dass du die Bilder nicht gesehen hast. Sie waren ganz schön brutal. Theo hat mir erzählt, dass Lynda am selben Abend noch bei Yvonne drüben gewesen war.«
»Weiß er, warum?«
»Sie wollte Yvonne die Oxford-Dose bringen.«
»Tja, wenn Lynda Yvonne umgebracht hat, seid ihr alle mit einem Schlag aus dem Schneider. Oder sehe ich das falsch?«
»Aber was wäre, wenn wir daran schuld sind, dass sie in der Scheiße steckt?«
Andrew runzelte die Stirn. Er mochte es nicht, wenn sie Kraftausdrücke verwendete. »Wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, wenn du weiter deine Nachforschungen anstellst, Kate.«
Sie stellte fest, dass seine Haltung gegenüber ihren Plänen, auf eigene Faust im Mordfall Yvonne zu ermitteln, sich ganz allmählich von völliger Ablehnung zu einer milden Zustimmung gewandelt hatte. Wenn sie sich nicht vorsah,
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