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Mord in Oxford

Mord in Oxford

Titel: Mord in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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als dass Kate sehen konnte, wer sich dahinter verbarg. Sie erhaschte einen flüchtigen Blick auf eine bucklige, gebeugte Gestalt mit weißem Haar und ein glänzendes Auge, das durch den Türspalt lugte.
    »Was wollense denn?« Die Stimme war unfreundlich und gehörte einer Frau.
    »Ich mache eine Meinungsumfrage zum Bebauungsplan«, erklärte Kate.
    »Ich sag gar nix.« Die Türkette klirrte, als sie eingehängt wurde. »Haut ab. Samt euren sauberen Freunden. Ihr habt’s passieren lassen, hat ja auch nix mit euch zu tun. Un’ was is’ mit uns? Wisst ihr, was der Schweinehund uns getan hat?«
    »Welcher Schweinehund?«, fragte Kate mit erhobener Stimme, weil die Tür langsam geschlossen wurde. »Was hat er denn getan?«
    »Haut einfach nur ab«, quäkte die gedämpfte Stimme durch den Briefkastenschlitz.
    »Hatte er einen dunklen Bart?«, versuchte Kate es noch einmal.
    »Aus der blöden Kuh kriegen Sie kein Wort raus«, sagte plötzlich jemand hinter ihrem Rücken. Kate wirbelte herum. Er stand hinter dem Tor des anderen bewohnten Hauses in der Reihe. Das ganze Gebäude wirkte wie ein Notbehelf. Die Fenster zierten Aufkleber mit der Aufschrift ›Wir zahlen keine Kopfsteuer‹, obwohl die Kopfsteuer in England schon seit langer Zeit abgeschafft war. Zwei riesige Köter, an denen sicher einmal ein Deutscher Schäferhund beteiligt gewesen war, hatten sich vor der niedrigen, baufälligen Steinmauer postiert und starrten Kate an. Sie blieb sofort stehen. Die Hunde sahen nicht gerade wie gehorsame, disziplinierte und menschenfreundliche Tiere aus. Eher würden sie sich vermutlich bei der geringsten Provokation an ihren Waden vergreifen.
    Kate mühte sich redlich, ihre Nervosität und die beiden Hunde zu vergessen und sich auf den Mann zu konzentrieren, der mit seinen verfilzten Haaren und dem dreckigsten Hemd der Welt allerdings auch nicht gerade Vertrauen erweckend aussah. Selbst in ihrem Kleidersammlungs-Outfit fühlte Kate sich mehr als fehl am Platz.
    »Ja, bitte?«, sagte er. »Meine Hunde mögen keine Fremden.«
    Kate klammerte sich an ihren Block und versuchte, ein wenig volkstümlicher zu sprechen. »Ich wollte nur ein paar Fragen stellen.«
    Der junge Mann blickte sie finster an. Sofort knurrte einer der Hunde, wobei er die Lefzen über spitze Zähne zurückzog. »Die mögen auch keine Fragen.«
    »Dürfte ich wissen, wie Sie heißen?«, fragte Kate hoffnungsvoll.
    »Judas. Man nennt mich Judas.« Vermutlich nicht ohne Grund, dachte Kate. »Und Sie?«
    »Kate. Man nennt mich Kate.« Und das steht auch auf meiner Geburtsurkunde, in den Sozialversicherungsunterlagen, und selbst meine Mutter ruft mich so. Mich würde schon interessieren, lieber Judas, wie dein ursprünglicher Name war. »Ich möchte gern wissen, wie die Leute hier über den Bebauungsplan denken.« Sie hatte es inzwischen schon so oft gesagt, dass sie es fast selbst glaubte. Es klang aber auch wirklich ziemlich plausibel.
    Judas’ Gesicht war braun, teils von der Sonne, teils, weil er sich wohl lange nicht gewaschen hatte. Sein verfilztes Haar wurde im Nacken von einem schwarzen Band zusammengehalten. Seine äußerst individuell gestaltete Kleidung lag eng am Körper an. An den Füßen trug er Schnürstiefel, die bis kurz unter das Knie reichten, und eines seiner Handgelenke war mit einem Lederband geschmückt.
    »Wir interessieren uns dafür, was Sie hier im Postle von diesem Plan halten«, wiederholte sie.
    »Der ist scheiße«, erklärte Judas.
    Genau gegenüber dem Postle, jenseits der Weiden auf der anderen Seite des Kanals erhob sich die Stadt Oxford, eine der kultiviertesten Stätten des Landes, wenn nicht gar der ganzen Welt. Kate glaubte fast, die Gebäude im Nebel sehen zu können, meinte Chöre in Kapellen und der Kathedrale singen zu hören und schien den Kies vor dem Sheldonian Theatre unter den Füßen zu spüren. Doch der Postle war wie ein völlig anderes Land, in dem andere Lebensbedingungen herrschten. Hier konnte alles Mögliche geschehen.
    Eine Frau war ebenso leise näher gekommen wie Judas vorhin und hinter ihm stehen geblieben. Trotz der kühlen Februarluft trug sie ein dünnes Baumwollkleid, Sandalen und ein Stirnband. Auf ihrer Hüfte saß ein vor Schmutz starrendes Baby, und an ihre Fersen hatten sich noch ein paar dieser undefinierbaren, struppigen Hunde geheftet. Das Baby quengelte.
    »Schnauze, Lilith«, sagte Judas. »Beck, diese Dame möchte von uns wissen, was wir von den Bebauungsplänen halten. Was sollen wir ihr

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