Mord in Oxford
enttäuscht sein, wenn sie herkommen und hier gibt es gar kein Straßencafé?«, fragte Kate. Riesige Scheinwerfer sorgten zwar für strahlenden, künstlichen Sonnenschein, trotzdem sahen die Cafégäste in ihren kurzen Ärmeln blau gefroren und armselig aus.
Kate verabschiedete sich vor dem Sheldonian Theatre von Andrew. Die Kirchturmuhren ringsumher schlugen zwei Uhr – jede zu einer etwas anderen Zeit. Kate ging an den Köpfen der römischen Kaiser vor dem Theater vorbei und wartete an der Bordsteinkante auf eine Verkehrslücke, um auf einen Sprung in die Blackwell-Buchhandlung gegenüber zu gehen. Sie wollte nur kurz einen Blick auf die Neuerscheinungen werfen, ehe sie sich auf den Weg Richtung Bahnhof machte. Nach einem Mittagessen mit Andrew brauchte sie normalerweise einen Spaziergang. Sie würde auf dem Treidelpfad am Kanal entlang nach Fridesley zurückkehren. Das war zwar der längere, aber auch weitaus hübschere Weg.
Neben Kate stand jemand, der ebenfalls auf eine Möglichkeit wartete, die Broad Street zu überqueren. Es war der durchtrainierte Dozent vom Leicester College.
Er sah aus, als wolle er sie ansprechen. Aber genau in diesem Augenblick entdeckte Kate eine winzige Lücke zwischen einem Fahrrad und einem Lieferwagen und sprintete über die Fahrbahn. Als er ebenfalls auf der anderen Seite angekommen war, hatte er anscheinend seine Absicht geändert. Er ging an ihr vorüber und verschwand durch einen unauffälligen Seiteneingang gleich neben dem White Horse Pub im Leicester College. Plötzlich hatten die Neuerscheinungen bei Blackwell ihren Reiz verloren. Kate wandte sich direkt dem Treidelpfad nach Fridesley zu.
Als Kate zu Hause ankam, klingelte das Telefon. Es war Gavin, und er klang betrübt.
»Hör mal, Kate«, sagte er, »diese Sache mit Yvonne sollte uns wirklich nicht an unserem jährlichen Club-Rennen hindern. Wir haben schließlich so viel trainiert! Du kümmerst dich doch noch immer um die Organisation, oder?«
In den vergangenen achtundvierzig Stunden hatte Kate wirklich nicht mehr daran gedacht, und der Gedanke, dem ganzen Aufwand entgehen zu können, übte einen gewissen Reiz aus.
»Nun ja, vielleicht sollten wir … sozusagen als Zeichen des Respekts …«, zögerte sie.
»Ach was!«, wandte Gavin ein. »Bis es so weit ist, haben wir die Beerdigung längst hinter uns. Und vermutlich wird auch der Mörder bis dahin bereits hinter Schloss und Riegel sitzen. Wie lange sollen wir denn noch Rücksicht nehmen?«
Zwar erschienen Kate ein paar Wochen durchaus nicht übermäßig viel, aber vielleicht war sie ja auch einfach nur zu sensibel.
»Nein, Kate«, fuhr Gavin fort, »mach einfach weiter mit unserer Planung, okay? Die Stoppuhren brauchen neue Batterien, und die Preise müssen besorgt werden. Hast du mittlerweile die Erlaubnis für die Durchquerung der Wytham Woods beantragt?«
»Vielleicht sollten wir vorher mit den anderen reden«, wandte Kate vorsichtig ein.
»Das ist doch nicht nötig! Ach ja, Kate«, Gavins Stimme klang plötzlich verändert, »was ich dich noch fragen wollte: Was suchst du eigentlich, mit einem Block bewaffnet, bei den Einwohnern der Redbourne Road?«
»Ach, das sind nur Recherchen für meinen nächsten Roman«, schwindelte sie.
»Ich dachte, du schreibst historische Schinken.«
Bis zu diesem Zeitpunkt war Kate nie bewusst geworden, dass Gavin ihre Schriftstellertätigkeit überhaupt je wahrgenommen hatte. »Jeder hat eine andere Art und Weise, an gute Ideen zu kommen, oder?«
»Natürlich«, antwortete Gavin. »Ich habe mich schon immer gefragt, wie sich Schriftsteller auf ihre Themen vorbereiten. Mir war nur nicht klar, dass man es auch versuchen kann, indem man von Haus zu Haus geht und Leute fragt. Was hast du denn gefragt?«
»Ich frage nach Standpunkten«, antwortete Kate. »Ich möchte wissen, wie die Leute denken. Das hilft mir, die einzelnen Charaktere deutlicher zu zeichnen.« Sie erzählte ihm nicht von den Papageien; sie hatte keine Ahnung, was für eine Sorte Standpunkt diese verdeutlichten.
»Sei bloß vorsichtig, Kate«, riet Gavin. »Es sieht ziemlich verdächtig aus, wenn jemand herumläuft und die Leute ausquetscht, unmittelbar nachdem ein Mord geschehen ist. Stell dir mal vor, du stellst die falschen Fragen und irgendwer denkt, dass du der Wahrheit zu nahe kommst! Ganz schön gewagt, wenn du mich fragst.«
»Was für einer Wahrheit soll ich denn zu nahe kommen?«, stellte Kate sich dumm.
Aber Gavin sagte nur: »Falls Penny
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