Mord in Oxford
Diebstahl.«
»Mich interessiert viel mehr, was aus meiner Oxford-Dose geworden ist«, sagte Rose.
»Vermutlich ist für Diebstahl eine andere Abteilung zuständig«, mutmaßte Kate, die nicht in Roses Gegenwart über Lynda und Carey spekulieren wollte, ganz zu schweigen von Camilla. »Außerdem stell dir mal vor: Da kommt so ein dicker Polizist an die Haustür, will etwas über den Mord an Yvonne erfahren, fragt nach dem Alibi der beiden, und Theo nervt ihn mit ein paar gestohlenen Dosen – natürlich würde der Polizist das sofort als Ablenkungsmanöver einschätzen.«
»Das heißt aber, wir haben den ganzen Aufwand umsonst getrieben«, sagte Gavin.
Kate fiel auf, dass Gavin dem Plan, die Dosen zurückzuholen, doch eigentlich recht begeistert zugestimmt hatte, als Yvonne noch unter den Lebenden weilte. Bestimmt hätte kein Mensch gemerkt, wenn er an dem bewussten Abend einen kleinen Umweg bei ihr vorbei gemacht hätte. Solange er noch einen Bart trug, war er von den anderen Gruppenmitgliedern deutlich zu unterscheiden gewesen. Aber jetzt konnte er für irgendeinen von ihnen gehalten werden, zumal, wenn er eine Mütze und eine dicke Jacke trug. Selbst die Größe kam hin. Aber es gab nur eine Möglichkeit, seine Umtriebigkeit festzustellen.
»Könnte ich vielleicht die Liste haben, die du gemacht hast?«, wandte sich Kate an Penny.
»Welche Liste?«
»Der Turnus der Beobachter an dem Abend, als wir die Dosen geklaut haben.«
»Tut mir Leid, die habe ich nicht. Frag mal Barbara.«
»Also irgendwie sehe ich keinen Sinn darin«, sagte Barbara gerade, »dass sie ausgerechnet Lynda mitgenommen haben. Gerade sie ist doch nun eigentlich überhaupt nicht verdächtig. Warum also ausgerechnet sie?«
»›Da wär noch eine Sache‹, sagte Yvonne, und schon marschierte Lynda über die Straße und lieferte die Dose ab«, antwortete Kate.
»Vielleicht wurde sie von Yvonne erpresst«, sagte Camilla gleichzeitig.
»Was?«, funkte Gavin dazwischen, »Was faselt ihr beiden da?«
»Ach, nichts«, sagte Kate.
»Wir denken nur laut«, antwortete Camilla gleichzeitig.
»Könntest du mir die Liste geben, die Penny für den Dosen-Abend gemacht hat?«, bat Kate Barbara.
»Ich habe sie nicht.« Barbara schüttelte den Kopf. »Frag doch mal Penny.«
»Penny meinte, du hättest sie.«
»Ich wüsste nicht, warum. Wahrscheinlich hat eine von uns beiden sie weggeworfen. Schließlich brauchte sie nicht unbedingt auf dem Präsentierteller zu liegen, falls die Polizei gekommen wäre.«
»Besser nicht.« Kate versuchte, ihren Ärger herunterzuschlucken. Hatten Penny oder Barbara die Liste absichtlich weggeworfen, oder handelte es sich nur um die ganz normale Aufräumwut einer völlig unschuldigen Person? Gavin und Penny, dachte Kate, auf euch beide muss ich ein Auge halten.
Vor ihr bewegten sich Gavins adrett gewandete Beine in frisch besohlten Schuhen ökonomisch und effizient. Mit Sicherheit reichten seine Körperkräfte aus, einer Frau den Schädel einzuschlagen.
Kate saß in der Küche. Mit einer Hand bewegte sie den Föhn über ihrem Kopf hin und her, in der anderen hielt sie einen Becher mit Kaffee. Da klingelte es an der Haustür.
Penny drückte ihr eine Plastik-Einkaufstüte in die Hand. »Du bist dran, auf die Dosen aufzupassen«, sagte sie und verschwand so schnell, wie sie gekommen war.
»Toll«, brummte Kate. »Das fehlte mir gerade noch.« Sie stieg in ihr Arbeitszimmer hinunter und verstaute die Tüte hinter einem Stapel alter Manuskripte in ihrem Aktenschrank.
Kate freute sich nicht gerade auf das Treffen mit Sophie. Jemandem unangenehme Fragen zu stellen, der gerade einen herben Verlust erlitten hat, war einer der Aspekte der Detektivarbeit, die sie nicht berücksichtigt hatte, als sie sich für die Aufgabe entschied.
Sophie sah bleich und erheblich dünner aus als sonst. Sie hatte tiefe Ringe unter den Augen. Ihr Haar hätte dringend eine Wäsche nötig gehabt, und sie steckte in einem formlosen Jogginganzug. Kate überlegte kurz, ob sie Sophie umarmen sollte, entschied sich aber schnell für ein paar platte Bemerkungen und tätschelte ihr flüchtig den Arm. Sophie dankte ihr, putzte sich die Nase und führte Kate hinein.
Es war ein merkwürdiges Gefühl für Kate, als Besucherin durch ein Haus zu gehen, das sie bisher nur als Patientin betreten hatte. Aber wenigstens durfte sie heute die normale Eingangstür benutzen und musste nicht an den Glaskästen mit den Gipsabdrücken vorbei, die sie immer an
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