Mord in Oxford
erzählen, als dass ich den ganzen Abend weg war und sie erst gefunden habe, als ich heimkam.«
»Wie schrecklich für dich«, sagte Kate. »Möchtest du darüber sprechen?«
Sophie fischte ein Taschentuch aus der Box auf dem Tisch und wischte sich die Augen. Während sie redete, rollte sie es zu einer immer dünneren Wurst.
»Immer wieder geht mir das Bild durch den Kopf, wie ich zur Tür hineinkam und die Treppe hochging. Auf dem Absatz blieb ich stehen und rief, weil ich wissen wollte, ob meine Mutter bereits zu Hause war. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr genau, warum ich in ihrem Zimmer nachgesehen habe; aber immerhin hätte sie längst daheim sein müssen. Und da habe ich sie gefunden. Sie lag da … Jedes Mal, wenn ich ins Haus komme, habe ich das Gefühl …«
»Es muss furchtbar für dich gewesen sein. Ich nehme an, dieses Gefühl wird bleiben, bis der Mörder gefunden worden ist.«
»Etwas in mir weigert sich immer noch zu akzeptieren, dass sie tot ist. Manchmal denke ich, sie kommt gleich rein und erzählt mir, dass alles nur ein grausamer Scherz war. Auch wenn die Todesstrafe inzwischen abgeschafft ist – die Polizei muss den Mörder finden!«
»Bestimmt tut sie ihr Bestes«, sagte Kate.
»Es war einfach scheußlich«, beklagte sich Sophie. »Sie wollten wissen, wer ihre Freunde waren, und sind immer wieder darauf herumgeritten, dass es in ihrem Leben eine Menge Männer gegeben haben muss. Wie können sie nur so etwas denken?«
»Nun ja«, begann Kate, »schließlich war sie eine sehr attraktive Frau …«, aber Sophie warf ihr aus nassen Augen einen so vorwurfsvollen Blick zu, dass sie den Rest hinunterschluckte.
»Bestimmt war es ein Einbrecher. Oder ein Geisteskranker.«
»Wie ist er denn reingekommen?«, fragte Kate. »War ein Fenster eingeschlagen oder so?«
»Nein, so merkwürdig es klingt. Der Eindringling muss einen Schlüssel gehabt haben.«
Kate mochte ihr nicht sagen, dass damit ein Verrückter oder ein zufälliger Einbrecher von vornherein ausschied. Wie sie alle nur zu gut wussten, bedurfte es einer gewissen Vorbereitung, um an einen Schlüssel zu kommen.
»Außerdem gab es noch etwas, was die Polizei mir über sie erzählt hat. Ich konnte es beim besten Willen nicht glauben.«
»Was denn?«
»Es hat mich zutiefst schockiert«, sagte Sophie. »Es ist einfach zu schrecklich. Ich kann es immer noch nicht glauben. Und die ganze Zeit haben sie nicht aufgehört, mich über den Abend auszufragen. Immer und immer wieder. Ich hätte schreien können!«
»Damit bezwecken sie, dass du ihnen jede Einzelheit erzählst, an die du dich erinnerst. Das Unterbewusstsein spuckt manchmal Dinge aus, die man längst vergessen und verdaut glaubte.« Und dann fragte Kate sehr vorsichtig: »Ist dir das auch passiert?«
»Nein«, sagte Sophie. »Warum stellst du eigentlich all diese Fragen?«
»Nun ja«, sagte Kate langsam, »schließlich waren wir der Polizei gegenüber nicht ganz ehrlich, was unsere Aktivitäten am Mittwochabend betrifft. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, mich umzuhören, ob nichts Wichtiges bei den Vernehmungen vergessen wurde.«
»Ach so.« Sophie runzelte die Stirn.
»Möchtest du mir von der schockierenden Sache erzählen, die die Polizei entdeckt hat«, wagte Kate einen weiteren Vorstoß.
»Sie haben gesagt, sie hätten Beweise dafür entdeckt, dass meine Mutter Leute erpresst hat. Sie glauben, das ist der Grund, warum sie ermordet wurde. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich dabei gefühlt habe? Mir kommt es vor, als wäre die Frau, um die ich trauere, eine ganz andere, als die, die tatsächlich gelebt hat. Ich dachte, ich kenne sie, aber anscheinend stimmt das gar nicht. Was sagst du dazu?«
»Es muss sehr schwer für dich gewesen sein«, sagte Kate. »Hast du eine Ahnung, warum sie das vermuten?«
»Angeblich haben sie Fotos und Briefe gefunden.«
»Weißt du, wer ihre Opfer waren?«
»Das wollten sie mir nicht sagen. Sie entscheiden, was ich wissen darf und was nicht. Bitte, Kate«, Sophie blickte sie mit ihren Kuhaugen flehend an, »wenn du irgendetwas herausfindest, möchte ich es erfahren. Es ist schrecklich, so im Ungewissen gelassen zu werden.«
»Ich versuche es«, versprach Kate. »Aber du musst mir auch alles erzählen, was dir an möglicherweise wichtigen Dingen einfällt. Gibt es zum Beispiel in der Vergangenheit deiner Mutter etwas, das ihren … das diese Tragödie verursacht haben könnte? Wo habt ihr gewohnt, ehe ihr nach Oxford gekommen
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