Mord in Oxford
einzurichten, um sich nicht allzu sehr von der Arbeit ablenken zu lassen, aber nach und nach waren doch ein paar Pinnwände mit Postkarten, Zeitungsausschnitten und geheimnisvollen Mitteilungen an sie selbst dazugekommen. Das wichtigste Möbelstück im Raum war der Schreibtisch, auf dem PC und Drucker standen. Auf dem Schreibtischstuhl lagen allerdings bunte Kissen, und der Aktenschrank mit den vier Schubladen war nicht etwa in neutralem Grau, sondern in einem warmen Burgunderton gehalten.
Das Manuskript sah ausgesprochen hübsch und eindrucksvoll aus, als sie es schließlich ausdruckte. Trotzdem musste sie zugeben, dass noch eine Menge Arbeit vor ihr lag, ehe sie das Wort ›Ende‹ auf Seite 380 schreiben durfte.
Kate verbrachte eine geschlagene Stunde damit, per Hand Textzeilen unter die Kapitelüberschriften zu schreiben. Selbst wenn diese Zeilen im fertigen Buch überhaupt nicht mehr vorkamen, würden sie Elliot für einige Wochen zufrieden stellen. Plötzlich kam ihr eine Idee für das erste Kapitel. Sie setzte sich wieder an den PC und fing an, ernsthaft zu arbeiten.
Die Türglocke schrillte. Kate sah auf die Uhr und stellte fest, dass über zwei Stunden einfach davongeflogen waren. Es war sechs Uhr. Sie ging die Tür öffnen. Vor ihr stand Camilla, aber sie hatte Carey im Schlepptau. Eisern hielt sie sein Handgelenk umklammert, und er sah wie ein Gefangener aus.
»Ich dachte, es wäre vielleicht das Beste, wenn Carey dir alles erzählen würde«, sagte Camilla. Noch nie hatte Kate sie so wütend gesehen. Zwar bemühte sie sich redlich, ihren Zorn im Zaum zu halten, aber Mund und Augen verrieten sie.
»Kommt rein, ihr beiden«, forderte Kate sie auf, nahm ihnen die Mäntel ab und hängte sie an die Garderobe. Dabei musste sie Camillas Hand mit Gewalt von Careys Gelenk zerren. Das war sicher kein verliebtes Händchenhalten, dachte sie.
Das Telefon klingelte. »Geht schon mal ins Wohnzimmer. Du könntest uns einen Drink einschenken«, sagte sie zu Camilla. Wenn in der Flasche, die sie für Andrews Besuche angeschafft hatte, noch genügend Gin war, könnten die emotionalen Wogen hoffentlich ein wenig geglättet werden. Sie schnappte sich den Hörer und fauchte ihren Namen hinein.
»Könntest du dir vielleicht einen Anrufbeantworter anschaffen?«, fragte Liam. »Er würde sich bestimmt deutlich freundlicher melden und wäre außerdem immer zu Hause.«
»Ich war den ganzen Nachmittag zu Hause. Ich habe nämlich gearbeitet«, fügte sie rechtschaffen hinzu.
»Ich habe auch gearbeitet. Deshalb konnte ich dich auch nicht früher anrufen. Hast du nächsten Samstag schon etwas vor?«
Er klang, als wolle er jetzt sofort irgendwohin abhauen. Am Samstag? Sie musste an ihrem Buch arbeiten, sie musste Gavin festnageln und herausfinden, wer Yvonne ermordet hatte und wie und warum. Vielleicht wäre der Fall aber bis dahin auch schon längst gelöst. Und wenn sie ihren Entwurf und das erste Kapitel heute noch zur Post brachte, säße ihr auch Elliot nicht mehr so drohend im Nacken.
»Bis jetzt noch nicht«, sagte sie.
»Hättest du vielleicht Lust, mit mir nach Bath zu fahren? Ich muss in der örtlichen Bibliothek einen Blick in ein paar Manuskripte aus dem achtzehnten Jahrhundert werfen, aber anschließend könnten wir zusammen essen, spazieren gehen oder was du sonst an einem Samstagnachmittag gern zu tun pflegst.«
»Und wie kommen wir nach Bath?«
»Hast du ein Auto?«
»Ja.« Hatte er vielleicht deswegen angerufen? »Ich hole dich am Leicester ab. Welche Uhrzeit?«
»Wäre halb neun in Ordnung?«
»Bestens.« Damit hatte er den ganzen Morgen Zeit, sich ein Bild davon zu machen, was für eine miserable Fahrerin sie war. Und auf dem Rückweg wäre dann alles ausgestanden.
Camilla stand in der Tür zum Wohnzimmer, sah nervös aus und gab ihr hektische Zeichen, endlich Schluss zu machen. Kate hätte gern noch länger mit Liam geplaudert, aber er klang ein wenig eilig.
»Bis Samstag. Komm zum Eingang in der Parks Road, dann kannst du zwanzig Minuten vor dem College stehen bleiben, ohne dass sie dich gleich abschleppen oder eine Krampe an die Räder machen.«
»Gegenüber Wadham?«
»Genau!«
Kate legte auf. Nun würde sie sich wohl oder übel mit Camilla und Carey beschäftigen und sich auf die Szene einlassen müssen, die die beiden anscheinend in ihrem Wohnzimmer auszutragen gedachten.
»Na, Gott sei Dank hörst du heute auch nochmal auf zu telefonieren«, keifte Camilla. »Ich hatte schon befürchtet,
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