Mord in Oxford
der Mütze.«
»So eine Jacke«, erinnerte sich Mr. Gatlock. »Dunkel. Vielleicht braun. Keine Ahnung. Nicht mal bei Tageslicht wüsste ich die Farbe. Die Weibsen hier ziehen sich nicht mehr richtig an. Außer meine Elma und meine Betty.«
Über ihren weißen Peter-Pan-Kragen strahlten Betty und Elma Kate fröhlich an.
»Warum will sie das alles wissen?«, fragte Mr. Gatlock. »Was hat sie vor?«
»Wir kommen alle in ein Buch«, schrie Betty.
»Sie schreibt über uns«, schrie Elma.
»Blöde Weibsen«, erklärte Mr. Gatlock.
Kate brüllte ein Dankeschön zu ihm hinüber und machte sich auf den Heimweg.
An der Ecke Redbourne Road und Fridesley Road traf sie Rose Smith.
»Ich muss dir ein Geständnis machen«, druckste Rose herum, schwieg aber dann doch.
»Ja?«, ermunterte Kate sie, obwohl ihr das Herz auf den Hosenboden gesunken war.
»Ich weiß, du hast dir eine Menge Zeit um die Ohren geschlagen und viel Ärger in Kauf genommen, um meine Dosen zurückzubekommen, Kate.«
»Das war ich nicht allein«, sagte Kate vorsichtig. »Die anderen haben sich auch alle beteiligt.«
»Stimmt. Aber du hast mehr getan als die anderen. Ich bin dir auch wirklich dankbar. Ganz ehrlich. Aber jetzt bist du dabei, die Oxford-Dose zu finden, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte Kate zögernd. Sie traute dem Braten nicht.
»Weißt du, eigentlich will ich sie gar nicht mehr«, flüsterte Rose.
»Aber das war doch die wertvollste Dose der ganzen Sammlung. Wie war das noch mit den ganzen Geschichten von John Parrish, Wolvercote und dieser besonderen Emaille?«
»Du hast völlig Recht. Aber eigentlich war es Omas Lieblingsdose. Später dann Theos. Ich fand sie immer ausgesprochen gruselig und ziemlich schrecklich und bin froh, dass sie weg ist. Wenn Oma danach fragt, muss ich eben eine Geschichte erfinden. Mir wird schon was einfallen. Vielleicht erzähle ich ihr sogar, dass die Dose gestohlen wurde. Mir ist völlig egal, wer sie jetzt hat, Kate. Sie können sie ruhig behalten. Ich möchte sie nie mehr zurückhaben.«
»Gibt es einen Grund dafür?«, wollte Kate wissen.
»Anscheinend hat Yvonne Lynda in der Mordnacht angerufen und sie gebeten, die Dose zu ihr rüberzubringen. Vielleicht hat das Ding etwas mit dem Mord zu tun. Auf jeden Fall hat es mit Tod und Sterben zu tun, und ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Ich könnte sie nie mehr anfassen, und ich will sie nie wieder in meinen vier Wänden haben. Sie bringt Unglück.« Roses Stimme wurde beim Sprechen immer schriller. »Ich hasse das Ding. Bitte hör auf, sie zu suchen, Kate. Ich will sie nicht mehr. Das Geld könnte ich natürlich gut gebrauchen, aber die Dose will ich nie mehr unter die Augen bekommen.«
Verblüfft blieb Kate stehen und sah Rose nach, die die Fridesley Road hinunterging und im Zeitschriftenladen verschwand. Warum wohl hatte Yvonne an diesem Abend Lynda angerufen? Sie stellte sich die Zahnärztin vor, wie sie gemütlich in ihrer warmen Wohnung saß, während Lynda und Theo sich fertig machten, um in den Sturm hinauszugehen, und der Rest der Gruppe sich darauf vorbereitete, die Sammel-Dosen zu stehlen. Nein, Yvonne hatte der Versuchung nicht widerstehen können, an dem zu Lynda gehörenden Marionettenfaden zu ziehen und auf diese Weise die wertvollste Dose der Sammlung an sich zu bringen, ehe Rose den Rest zurückbekam. Die Frau war wirklich ein Miststück gewesen. Und vermutlich hatte Rose durchaus Recht, wenn sie vermutete, dass die blau emaillierte Oxford-Dose in irgendeiner Weise mit Yvonnes Tod zu tun hatte. Nur wie, das war ihr noch nicht klar.
Aber mit diesem Geständnis war auch Roses Motiv dahin. Wenn sie die Oxford-Dose nicht zurückhaben wollte – und Kate glaubte ihr aufs Wort; zum Lügen war Rose viel zu erregt gewesen –, dann war wohl kaum zu vermuten, dass sie über die Straße gesaust war und Yvonne eins über den Schädel gegeben hatte, um die Dose in die Hand zu bekommen. Und wenn sie nicht noch ein vollkommen anderes Motiv in der Hinterhand hatte, dann gab es zumindest einen Menschen, um den Kate sich bei dem Gruppenlauf durch die einsamen Wälder der Umgebung keine Sorgen zu machen brauchte.
Kate verbrachte den Nachmittag mit Schokoladenplätzchen vor dem PC und arbeitete am Rohentwurf des neuen Romans. Ihr Arbeitszimmer befand sich im Untergeschoss des Hauses und bot nur Aussicht auf struppiges grünes Gras und ein paar müde aussehende Blätter. Sie hatte sich bemüht, es so funktional wie möglich
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