Mord in Tarsis
alle zustimmen, ist dazu in der Lage. Diese Leute mögen primitiv sein, aber sie werden es schnell herausfinden, wenn wir untereinander uneins sind, und daraus ihren Vorteil ziehen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Das habt Ihr, Herr«, sagten alle nickend.
Damit mußte er zufrieden sein. Er wußte, daß er keinem einzigen von ihnen trauen konnte. Im Moment wünschte er, Tarsis wäre ein echtes Königreich, in dem jeder Fürst seinem Herrscher felsenfeste Treue schuldete. Aber so sollte es nicht sein. Die Stadt war von Kaufmannsfamilien gegründet worden, die geradezu rasend eifersüchtig auf alle anderen Familien waren. Sie hatten alles so arrangiert, daß der Fürst zwar die höchste Autorität innehatte, aber keine Familie alleinigen Anspruch auf den Titel besaß. Als Resultat war er nun eher von neidischen Rivalen als von Getreuen umgeben.
»Geheimrat Melkar, Ihr habt es auf Euch genommen, Euch mit dem Reich dieses Starkbogen vertraut zu machen. Welche Bedrohung stellt er wirklich dar?«
Melkar trug eine weiße Robe und eine rote Maske. »Die Bedrohung ist tatsächlich sehr real«, sagte er offen. »Er ist seit vielen Generationen der erste Häuptling, der sich zum Herrn über die Staubebenen ausgerufen und tatsächlich eine gewisse Einigkeit unter den Nomadenstämmen geschaffen hat. Sie waren lange Zeit damit zufrieden, einander zu bekämpfen und nur hierherzukommen, um ihr Fleisch und ihre Milch, ihre Häute und ihre Wolle gegen Dinge einzutauschen, die sie brauchen. Kyaga Starkbogen meint, daß es an der Zeit ist, diese Dinge als Tribut zu fordern, und er hat jetzt eine Armee, die dieser Forderung Nachdruck verleihen kann.«
Das Gesagte ließ die anderen aufschrecken. »Ihr habt diese Armee mit eigenen Augen gesehen?« wollte ein blau maskierter Mann wissen.
»Das habe ich. Fünftausend erfahrene Reiter, jeder ein ausgezeichneter Bogenschütze, jeder mit vier oder fünf erstklassigen Pferden. Und sie sind Starkbogen treu ergeben. Sie glauben, daß er ein großer Magier ist.«
»Bogenschützen«, sagte Geheimrat Rukh mit Verachtung in der Stimme. »Jeder weiß, daß es nicht ratsam ist, sich draußen in der Steppe von solchen Kriegern aufgreifen zu lassen, wo man ihren Pfeilen ausgesetzt wäre. Aber gegen die Mauern einer großen Stadt können berittene Bogenschützen wenig ausrichten.«
»Das ist wahr«, sagte der Fürst, »aber es wäre besser, die Bedrohung auszuschalten, bevor die Stadt belagert wird.« Seine zuversichtlichen Worte verbargen seine größere Sorge: Die Mauern von Tarsis waren errichtet worden, als die Bevölkerung der Stadt zehnmal so groß war wie jetzt, als das umliegende Land fruchtbar und mit vielen Dörfern bevölkert war, die zur Stärke des Landes beitrugen. Jetzt waren viele Teile der Mauern am Verfallen, und er bezweifelte, daß er die nötigen Männer hatte, um ein Drittel dessen zu verteidigen, was noch in gutem Zustand war.
»Ihr wollt Unfrieden zwischen den Stämmen säen?« fragte Geheimrat Blasim.
»Das war schon immer unsere Politik«, sagte der Fürst. »Nehmt ein paar von den höherrangigen Mitgliedern der Gesandtschaft beiseite und horcht sie aus. Manche sind vielleicht bereit, ihren Häuptling gegen Bestechung zu verraten. Einfache Krieger mögen ihren Anführer für einen Gott halten, aber die Häuptlinge werden wissen, daß er nur ein ungewöhnlich erfolgreiches Exemplar ihres eigenen Schlages ist. Darüber hinaus werden viele von ihnen eifersüchtig sein. Ich habe bisher kaum Männer getroffen, die nicht bereit gewesen wären, ihren Herrn gegen den richtigen Preis zu verraten, manche würden es sogar umsonst tun.«
»Scharfsinnig wie immer, Herr«, sagte Blasim. »So unangenehm es sein mag, ich werde mich mit einigen dieser Männer anfreunden und ihnen klarmachen, wie weise – und lohnend – es wäre, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Tut das. Ihr anderen folgt seinem Beispiel. Diese berittenen Banditen bauen vor den Mauern ein Lager auf. Ich wünsche, daß Ihr sie begrüßt. Heuchelt großes Interesse und Freundlichkeit. Horcht sie aus. Findet heraus, wer von ihnen etwas für Gold, schöne Waffen und andere wertvolle Dinge übrig hat. Geheimrat Rukh.«
»Ja, Herr?«
»Als Sicherheitsoffizier der Stadt werdet Ihr Euch die Stadtmauer ansehen, aber geht dabei diskret vor. Ich will keine Panik unter der Bevölkerung. Gleichzeitig laßt Ihr die Söldner anheuern, die in den Tavernen am Hafen verkehren, vorgeblich gegen die Banditen, die die Karawanen
Weitere Kostenlose Bücher