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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Muschelring.
    Der Heiler lächelte. »Muschelring bestiehlt uns nie, und ich versichere dir, daß unser neuer Freund Nistur eine zu ehrenwerte Persönlichkeit für solche Dinge ist. Er ist ein Dichter.«
    Die Barbarenfrau grunzte, als ob sie zu diesem Gedankengang wenig Vertrauen hätte.
    »Wo kommt der Zwerg her?« fragte Nistur. »In der Stadt habe ich keine gesehen. Wandert sein Clan hier vorbei?«
    »Nein«, erwiderte Stunbog, »sein Volk lebt schon fast seit der Gründung der Stadt hier. Es sind die Nachkommen der Zwerge, die man angeheuert hat, um die Fundamente zu graben. Viele der ältesten Gebäude erstrecken sich unterirdisch über mehrere Stockwerke. Dort leben die Zwerge von Tarsis. Es gibt nicht mehr viele von ihnen. Da seit Jahrhunderten kein neues Blut dazugekommen ist, leiden sie nun an einer Reihe von Erbkrankheiten. Ich fürchte, sie werden innerhalb der nächsten paar Generationen aussterben. Für Zwerge kann das natürlich eine lange Zeit sein.«
    »Erstaunlich! Ich hatte Tarsis für eine reine Menschenstadt gehalten.«
    »Nur wenige Orte sind so simpel, wie sie uns auf den ersten Blick erscheinen. Tarsis ist da keine Ausnahme. Es gibt viele Städte hier. Die Altstadt, die Neustadt, den unterirdischen Bereich, den Hafen – das sind nur die groben Unterteilungen. Es gibt noch weitere. Nun, ich muß jetzt fort. Es gibt hier Kabinen, in denen ihr schlafen könnt. Ich werde morgen früh wieder nach deinem Freund sehen.«
    »Ich bin dir zu größtem Dank verpflichtet«, sagte Nistur.
    »Danke mir nicht, bevor sich der Mann erholt hat«, sagte Stunbog. Er warf einen Mantel über und zog die Kapuze über seinen Kopf. Die Barbarenfrau, die die Tasche trug, folgte ihm. An der Schwelle sah sie sich finster nach Nistur um, als wollte sie ihm schlimme Folgen androhen, wenn bei ihrer Rückkehr nicht alles in Ordnung wäre. Dann waren die beiden verschwunden.
    »Deine Stadt ist erheblich interessanter, als ich gedacht hätte«, stellte Nistur fest. »Was für ein ungleiches Paar. Und dieser Zwerg. Sind die anderen so wie er?«
    Muschelring nickte. »Mehr oder weniger. Sie leben unterirdisch und können kein helles Licht vertragen. Sie tun niemandem etwas, aber die Menschen haben Angst vor ihnen, halten sie für Geister oder so.«
    »Ich fürchte, daß die Behandlung meines Freundes teuer wird. Ich frage mich, wie ich dafür bezahlen soll.«
    Ihre Augen wurden groß. »Die Börse, die ich dir abgenommen habe, war schwer. Der alte Stunbog verlangt nie viel.«
    »Oh, die Börse muß ich zurückgeben. Das war mein Lohn, und ich habe bei meinem Auftrag versagt.« Er seufzte über diese Wendung.
    Jetzt wurden ihre Augen noch größer. »Zurückgeben? Bist du verrückt?«
    »Nein, nur ein Mann mit Prinzipien. Es gibt so etwas wie eine Berufsehre, weißt du.«
    »Ich verstehe dich nicht! Erst versuchst du, einen Mann zu töten, und dann tust du es nicht, als es so aussieht, als hätten ihn die Götter nur so für dich hingelegt. Dann bringst du ihn zu einem Heiler, und jetzt willst du irgendeinem gemeinen Feigling, der dich angeheuert hat, um diesen armen Dummkopf zu ermorden, sein Geld zurückgeben!«
    »Bitte«, sagte Nistur gekränkt. »Ich bin kein Mörder. Ich bin ein Assassine.«
    »Was für ein Unterschied!«
    »Ich erwarte nicht, daß du das verstehst. Du bist selbst eine seltsame Person. Muschelring ist ein reizender Name für eine nicht gerade reizende Person. Wie kommst du zu dem Namen?«
    Sie grinste schief. »Der stammt von meinem Geschäft.«
    In der wachsenden Wärme in der Kabine hatte sie erst ihren Mantel und dann ihre Jacke ausgezogen. Jetzt war ihr Oberkörper nur noch mit einem leichten Lederhemd bekleidet, und Nistur sah, daß sie nicht ausgezehrt war, wie er zuerst gedacht hatte, sondern eher mager und sehnig wie ein Akrobat. Ihre Hand fuhr in einen Beutel an ihrem Leib und zog einen breiten Ring aus einer Muschelschale heraus, der ihr Daumengelenk bedeckte. In ihren verschränkten Händen blinkte ein winziges Messer, dessen Klinge keine fünf Zentimeter lang war.
    »So arbeiten Beutelschneider in dieser Stadt. Du lenkst einfach dein Opfer ab, oder ein Freund macht es für dich. Du nimmst die Beutelriemen zwischen die Klinge und den Ring und trennst sie durch. Das Opfer merkt überhaupt nichts.«
    »Ich kenne diese Technik. In meiner Heimat benutzen die Beutelschneider ein Stück Horn, das sie über die Daumenspitze streifen. Deshalb nennt man sie ›Horndaumen‹. Muschelring klingt viel

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