Mord in Tarsis
Hinterzimmer trat, war etwa einen Meter groß. Ihr Kopf hatte eine im Verhältnis zum Körper geradezu groteske Größe. Nach einer Wäsche hätten ihre Haare wohl weiß ausgesehen. Ihr Gesicht schien zu gleichen Teilen aus fleckiger, blasser Haut und Warzen zu bestehen. Die kleinen Knopfaugen von schmutziggrüner Farbe musterten die Besucher mit der Fröhlichkeit der Geistesschwachen. Der Mund öffnete sich zu einem überaus breiten Grinsen, das vereinzelte gelbe Zähne erkennen ließ. Der Gestank im Raum verdoppelte sich.
»Willkommen!« rief sie schrill. »Mütterchen Krötenblume kriegt nicht oft Besuch! Hi-hi-hi!« Ihr Lachen bereitete ihren Besuchern körperliche Schmerzen.
»Ich kann mir gar nicht denken, weshalb«, sagte Nistur.
»Eine Gossenzwergin?« fragte Eisenholz ungläubig.
»Aghar«, mahnte Stunbog. »Denk an deine Manieren.«
Die betagte Agharfrau watschelte zu Eisenholz hinüber, ergriff eine seiner Hände und warf einen verliebten Blick auf die breite Handfläche, die langen Finger und die dicken Knöchel. »Schön, dich kennenzulernen, Vetter! Hi-hi-hi!« Eisenholz riß seine Hand zurück, als hätte sie ihn verbrannt, und steckte beide Hände unter seinen Mantel. Mütterchen Krötenblume drehte sich einige Male kichernd und schnaubend um sich selbst. Sie trug mehrere Schichten schwarzer Lumpen, die an den Säumen schimmelten.
Plötzlich brach sie mitten im Wirbeln ab und starrte ihre Besucher hellwach an. »Ihr bringt Mütterchen Essen?«
»Eine Freundin würden wir nie darben lassen«, sagte Stunbog, der einen gutgefüllten Sack vorstreckte. Die alte Agharfrau schnappte danach und steckte ihre dreckverkrustete Pfote hinein. Sie zog einen kleinen Laib Brot heraus, stopfte ihn in den Mund und fischte noch im Kauen in der Tasche nach weiteren Leckerbissen.
»Ich sehe, du erfreust dich guter Gesundheit, Mütterchen Krötenblume«, sagte Stunbog. »Dein Appetit ist jedenfalls enorm.«
Sie murmelte etwas, das aber unverständlich blieb, da sie gleichzeitig einen Trockenfisch in sich hineinstopfte, der das Brot ergänzen sollte.
»Bei diesem Tempo wird sie noch ersticken«, sagte Eisenholz mit einem Anflug von Hoffnung.
»Es gab noch nie genug zu essen, um einen Gossenzwerg zu ersticken«, sagte Nistur.
Als Mütterchen Krötenblume ihren Mund wieder zum Sprechen benutzen konnte, lockte sie mit einer Hand und verschwand durch den Eingang mit dem Vorhang.
»Kann wohl nicht mehr schlimmer stinken als hier«, murmelte Myrsa.
»Da würde ich nicht drauf wetten«, sagte Nistur.
»Hilft alles nichts«, stellte Stunbog fest. »Mal sehen, was sie vorhat.« Die kleine Gruppe ging durch den Eingang, wobei Eisenholz und Myrsa den Kopf senken und die Schultern seitwärts drehen mußten, um sich hindurchzuquetschen.
Sie durchquerten ein Schlafzimmer, das sie lieber nicht genauer ansahen. Der nächste Raum war nahezu leer. Um den gestampften Erdboden waren mit zerbrochenen Holzlatten Wände und eine Decke errichtet, die jeden Moment einzustürzen drohte. Der einzige Gegenstand im Zimmer war ein gewöhnlicher grober Stein in der Mitte des Bodens. Er war grauschwarz, von der Größe eines Bausteins und nur von ein paar schon vor langer Zeit verwelken Blumen geschmückt. Um ihn herum lagen vertrocknete Blütenblätter. Mütterchen Krötenblume streichelte den Stein und gurrte mit geschlossenen Augen.
»Wenn sie so wahrsagt«, meinte Nistur, »wäre es dann nicht sinnvoller, es in dem vorderen Zimmer zu machen?«
»Bedenke, wer sie ist«, sagte Stunbog. »Ihr Volk ist nicht für sinnvolles Handeln oder besondere logische Begabung berühmt.«
»Sie ist gut darin«, verteidigte Muschelring die Agharfrau. »Gebt ihr doch einfach eine Chance.«
Die wäßrigen alten Augen klappten auf. »Sagt Mütterchen, was euch bewegt«, zischte sie.
»Es hat einen Mord gegeben…« begann Nistur zögernd.
»Toter Nomade!« kreischte sie. Die anderen hielten sich die Ohren zu. »Hat einen Draht rund um den Hals!«
»Woher weiß sie das?« fragte Nistur, als er seine Ohren losließ.
»Mütterchen weiß eine Menge«, sagte Muschelring. »Mach weiter, Mütterchen.«
»Erzähl Mütterchen mehr!« verlangte diese.
»Der Barbarenhäuptling will den Mörder, sonst gibt es Krieg – «
»Krieg!« schrie sie. »Gut sammeln nach einem Krieg! Juchu!« Sie sprang ein paarmal begeistert jauchzend auf und ab.
»Wie schön, daß irgend jemand diese Aussicht erfreulich findet«, sagte Nistur. »Aber weiter: Der Fürst von
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