Mord inclusive
bevor wir zum Essen gehen.«
Wir stiegen eine lange wunderschöne Treppe zum eleganten Barbereich mit holzgetäfelten Wänden, gewölbter Decke und riesigen Kronleuchtern hinauf. Die Sessel waren gewaltig, dick gepolstert und sehr bequem. Das Ambiente war exotisch, eine faszinierende Mischung asiatischer und arabischer Motive, die uns diskret, aber deutlich zum Bewusstsein brachte, wie weit wir von zu Hause entfernt waren.
Die Carpenters hatten sich in einer Ecke niedergelassen. Lydia paffte schon wieder eine Zigarette, die kleine Blechdose in der linken Hand. Ob mit Rauch oder ohne, sie waren bereits unsere Lieblingsgefährten auf dieser Reise, und wir ließen uns in ihrer Nähe in die Sessel fallen.
»Wie geht es Ihrer Nichte?«, fragte Kyla.
Ben schnaufte. »Ziemlich schlecht. Sie reihert aus beiden Enden, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Australier. Dafür liebte man sie. Das arme Mädchen würde sich nie wieder unter uns trauen, wenn sie gehört hätte, wie man über sie sprach.
Anni, die die Bemerkung mitbekommen hatte, trat mit besorgter Miene an unsere Gruppe heran. »Jane ist immer noch übel? Ich gebe Ihnen ein Pulver. Das ist besser als das, was die Ärzte verschreiben. Lösen Sie ein Tütchen in einer Flasche Wasser auf. Das soll sie den ganzen Tag über trinken.«
Aus ihrer kleinen Handtasche zog sie ein paar rätselhafte Päckchen mit arabischem Aufdruck hervor.
Ben blickte so misstrauisch darauf, als würde er die Innereien einer Beutelratte von einem Wunderheiler entgegennehmen, und zuckte die Schultern. »Ich bringe ihr das schnell mal, ja?«
»Sei so lieb und hole mir auch gleich meine blaue Strickjacke, Liebling«, rief Lydia ihm nach, als er die Treppe hinauflief. Auf einem Sofa neben uns hatten sich Charlie und Yvonne de Vance Hand in Hand niedergelassen. Ich schaute zu ihnen hin. Selbst in dem weichen, schmeichelnden Licht der Lüster kamen sie mir wie Hundertjährige vor, aber sie hielten sich wacker, das musste ich zugeben. Mir schien, ich hätte sie sagen hören, sie seien auf Hochzeitsreise. Vielleicht die zweite, vermutete ich. In ihrem Alter konnte es aber auch die dritte oder vierte sein. Sie kuschelten sich aneinander wie Teenager.
Die Peterson-Familie hatte sich an einen eigenen Tisch gesetzt. Die Jungen leerten gerade eine Schüssel Nüsse wie ausgehungerte Eichhörnchen. Susan und Tom sahen müde aus. Aber als Tom meinen Blick erhaschte, zeigte er mir die hochgestreckten Daumen.
Ein Kellner erschien mit einem Silbertablett, auf dem schlanke Gläser mit orange- und pinkfarbenen Fruchtgetränken standen. Je eines gab er Kyla und mir. Das war entweder Daiquiri oder ein Milchshake, dachte ich, und kostete vorsichtig. Ich fragte mich, ob sie das Eis hier aus sauberem Wasser machten. Es war ein Shake. Die Ägypter sahen Alkohol nicht gern, in den Touristenhotels war er allerdings frei erhältlich. Auch gut, dachte ich resigniert. Müde, wie ich war, wäre ich nach einem Cocktail wohl im Stehen eingeschlafen. Aber Kyla probierte und rief den Kellner sofort wieder zurück.
»Können Sie mir einen Gin Tonic bringen?«, fragte sie.
»Selbstverständlich, Madam«, sagte er und verschwand.
»Du brauchst auch einen«, meinte sie dann. »Bringen Sie zwei!«, rief sie dem Kellner nach.
Ich zog eine Grimasse. »Du weißt doch, dass ich das Zeug nicht mag.«
»Du kannst es ja in deinen Fruchtsaft kippen. Damit du wieder munter wirst.«
Als Kyla den ersten Gin Tonic wie Wasser in sich hineingeschüttet hatte, lebte sie zusehends auf. Ohne zu fragen, nahm sie sich auch noch meinen, was sie wohl von Anfang an vorgehabt hatte.
Nach und nach tauchten die anderen Gäste auf. Alan Stratton trat ein, sah Kyla und vielleicht auch mich sitzen und nahm sich den nächsten freien Stuhl. Er schaut ein bisschen verkniffen drein, dachte ich und war plötzlich hellwach.
»Hallo«, sagte Kyla in herzlichem Ton.
Sie setzte sich in ihrem Sessel auf, womit sie ihre Figur voll zur Geltung brachte. Ich fragte mich, ob sie das bewusst machte, schämte mich dann aber ein wenig für diesen unguten Gedanken. Kyla hatte sich immer für Jungen interessiert und die für sie. Warum denn nicht? Mit ihr ließ sich leicht und mit Genuss flirten, wie es offenbar auch sein sollte. Die Anwesenheit eines ungebundenen attraktiven Mannes war für sie eine unerwartete Zugabe zu dieser Reise.
»Ich habe etwas gehört«, sagte er leise und schaute uns beide gespannt an. »Die Polizei hat festgestellt, dass Milie Owens
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