Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
auch, warum – weil alle mir die Schuld geben täten, wenn jemand sie gesehn hätte. Sie täten sagen, ich hab’ Gift gestreut – hab’ ich aber nie gemacht. Hab’ sie tot unterm Ast liegen sehen. Da mußte aber ganz fix was ’gegen tun, Bert, sag’ ich zu mir selber. Und hol’ sie raus und verbrenn’ sie, das wars dann.«
Meredith seufzte. Es wäre vielleicht klug, Markby darüber im Unklaren zu lassen. »Wo sind Ihre schönsten Gemüse, Bert?«
»Dafür is’ jetz’ die falsche Jahreszeit«, sagte er. »Die Karotten waren gut. Meinen ersten Preis hab’ ich für Karotten gekriegt. Jetz’ komm’ mein Grünzeug raus.« Er zeigte auf das flache Tablett, das er zwischendurch abgesetzt hatte. »Kohl. Den zieh’ ich zum Auspflanzen für die Leut’. Walter, dem hab’ ich ’n Dutzend Pflanzen versprochen, und er soll vorbeikommen un’ sie abholen.«
Meredith schaute sich um. Der Garten war ein Muster an Ordnung. Sie schlenderte zum Schuppen und schaute durch die offene Tür hinein. Einen größeren Kontrast hätte es nicht geben können. In den Ecken stapelten sich Büchsen, einige waren völlig verrostet und ohne Etikett. Uralte, zerbrochene Geräte hingen an Nägeln an der Wand. Tönerne Pflanztöpfe stapelten sich zu windschiefen Türmen. In den Regalen waren spinnwebverhangene, geheimnisvolle Flaschen aufgereiht. Stricke, kurze Stöcke, auf schwarzen Zwirn aufgezogene Milchflaschenverschlüsse aus Metallfolie, alte Samenpakete, schimmlige Stiefel und Paraffinlampen hingen, ineinander verknäult und verwickelt, an Haken oder zogen sich wie Weihnachtsschmuck von einer Wand zur anderen.
»Also ehrlich, Bert«, sagte Meredith fast ehrfürchtig, »wie finden Sie überhaupt etwas hier drin?«
»Weiß genau, wo alles is’«, sagte er brummig. »Fassen Sie bloß nix an. Polizei war schon da und hat rumgeschnüffelt. Der Kerl, was die Leitung hat, putzte mich deshalb runter. Das muß alles weg, hat er gesagt, es is’ eine Gefahr. Wir machen das für Sie, wenn Sie es nicht loswerden können. Hab’ ihm gesagt, ich will’s nich’ loswerden. Is’ lauter gutes Zeug. Un’ es is’ für keinen gefährlich, nur für mich selber, und das is’ meine Sache.«
Meredith stöberte in einem Stapel vergilbter Zeitungen, die mit einer Schmutzschicht überzogen waren, und hob die obersten auf. Die Schlagzeile der ersten lautete: Präsident Tito liegt im Sterben. Sie legte sie wieder zurück und entzifferte ein verblaßtes Preisschild auf einer Flasche, die in der Nähe im Regal stand: vier Shilling und sechs Pence. Ein uralter hölzerner Teppichkehrer war mit einem sitzenden Löwen über gekreuzten Union Jacks verziert und verkündete: Empire Made. Ein henkelloser Becher, der irgendein Öl enthielt, zeigte ein Bild von George V. und Königin Mary.
»Alles gutes Zeug«, wiederholte Bert bockig. »Un’ besser, als was man heutzutage so kauft.«
»Bert«, sagte Meredith und setzte sich auf einen umgedrehten Eimer. »Wie lange war Mr. Lorrimer Ihr Nachbar?«
Er rieb sich die Nase und richtete die wäßrigen, boshaften kleinen Augen auf sie. »Fast vier Jahre. Und kein’ einzigen Tag nich’ hat er ehrlich gearbeit’. Die ganze Zeit nur kleine Töpfe gemacht, das is’ alles.«
»Hat er je Besuch bekommen, der nicht aus dem Dorf stammte? Verwandte? Familie?«
»Hab’ ich nie gesehen. Hatte ’n kleinen Lieferwagen und damit die Töpfe an die Geschäfte geliefert un’ so. Aber die Kupplung is’ kaputtgegangen, un’ die letzten Monate hat er keinen Wagen nich’ gehabt und gar nix. Konnte sich keinen leisten, hat er mir erzählt. Ich hab’ ihm gesagt, dann soll er doch sein Geld sparen un’ es nich’ in den Pub tragen.«
Also genug Geld für das »Dun Cow«, aber nicht genug, um einen Lieferwagen zu kaufen, den er dringend brauchte.
Sie gab sich einen Ruck. »Sie haben gesagt, daß er Mädchen hier gehabt hat.«
Sein Blick wurde unstet. »Frauen, ah … die. Hätten’s besser wissen müssen. Ich hör’ sie. Ich weiß Bescheid.« Er legte den Finger seitlich neben seine knorrige Nase – die uralte Geste, die Schlauheit und Gerissenheit ausdrücken soll. Er sah wie das leibhaftige Böse aus. »Ich könnt’ ein paar Sachen erzählen, das könnt’ ich, o ja.«
Meredith bemühte sich, das wilde Herzklopfen zu unterdrücken, das sie plötzlich überfallen hatte. »Haben Sie diese, hm … die Sachen der Polizei erzählt?«
»Nein!« erwiderte Bert starrköpfig. »In mei’m Schuppen rumschnüffeln un’ mir befehlen
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