Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
Partydienste en gros belieferte, und überredete den Geschäftsführer, ihr eine Riesenflasche Worcestersauce zu verkaufen. Sie verstaute alles in ihrem Einkaufsbeutel und suchte dann das kleine Restaurant auf, in dem sie mit Eve gewesen war.
Es war beinahe Lunchzeit. Das Restaurant servierte leichte Mahlzeiten, und nach und nach kamen Leute herein, die wie Meredith beim Einkaufen gewesen waren, aber auch Geschäftsleute aus der Nachbarschaft. Meredith bestellte eine Suppe und selbstgebackenes Brot und machte sich, während sie wartete, daran, ihre Postkarte zu schreiben. Dorf seelenlos, und Einwohner neigen dazu, sich ermorden zu lassen entspräche zwar der Wahrheit, war aber für eine offene Postkarte kein besonders geeigneter Text. Also schrieb sie: Fahrt gut verlaufen. Das Wetter ist schön. Hoffe, alles geht gut. Na, das war ungefähr die uninteressanteste Postkarte, die man sich vorstellen konnte. Meredith kaute an ihrem Kugelschreiber. Dramatische Ereignisse. Hoffe aber, daß sie keinen Einfluß auf die Hochzeit haben werden. Erzähle Dir alles, wenn ich wieder da bin. Jetzt konnte Toby sich den Kopf zerbrechen. Die Vorstellung, wie frustriert er sein würde, während er überlegte, was sie wohl meinen könnte, bereitete ihr für einen Augenblick großes Vergnügen.
Und genau zu diesem Zeitpunkt tauchte Markby auf. Er hatte beschlossen, das Mittagessen zur Abwechslung einmal nicht ausfallen zu lassen, und gute Vorsätze scheinen am Ende doch belohnt zu werden, denn als er das Restaurant betrat, war der erste Mensch, den sein Auge erblickte, Meredith. Sie war über eine Postkarte gebeugt, schrieb eifrig und lächelte vor sich hin. Seine erste spontane Freude wurde sofort gedämpft; er verspürte den unsinnigen Wunsch zu erfahren, an wen sie so konzentriert schrieb – und dabei so lächelte.
Er ging zu ihrem Tisch, legte die Hand auf die Lehne des Stuhls ihr gegenüber und sagte: »Hallo.« Sie blickte überrascht auf. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?« fragte er und fügte erklärend hinzu: »Zur Lunchzeit wird es hier immer sehr voll.«
»Was führt Sie hierher?« fragte sie, während sie Kugelschreiber und Postkarte beiseite schob.
»Mein Mittagessen.« Er lächelte sie freundlich an und bestellte Geflügelsalat, als die Kellnerin kam.
Meredith warf das dichte braune Haar zurück. »Wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen?«
»Ach, es läppert sich …« Markbys Blick war auf ihren Einkaufsbeutel gefallen, der auf dem Boden stand. Eine seltsame dünnhalsige Flasche mit einer dunklen Flüssigkeit ragte heraus. »Was ist das?«
Sie schaute hinunter. »Eine Flasche Worcestersauce. Hab ich für einen Freund besorgt. Er ist süchtig danach.«
Markbys Herz, das plötzlich einen eigenen Willen zu haben schien, der sich dem seinen entzog, wurde zentnerschwer. »Oh? Er ist – hm, er ist Engländer, dieser Freund, oder?«
»Ja, er ist mein zweiter Mann.« Sie mußte den bestürzten Ausdruck auf seinem Gesicht gesehen und richtig gedeutet haben, denn sie setzte freundlich hinzu: »Mein Stellvertreter, Vizekonsul Toby Smythe.«
Er wußte, daß er jetzt reichlich verlegen aussah. Er hätte sich nicht zu ihr setzen sollen. Erleichtert atmete er auf, als ihre Suppe serviert wurde. Lächelnd fragte sie: »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich schon anfange?«
»Nein, essen Sie nur.«
Markby sah zu, wie sie den Löffel aufnahm. Es war unrealistisch anzunehmen, daß es keinen Mann in ihrem Leben gab. Er wurde immer trübsinniger. Nicht, daß es ihm etwas ausmachte, natürlich nicht. Sie war nur eine wichtige Zeugin bei einer Morduntersuchung. Doch sie war interessant, intelligent, und er wußte gar nicht mehr, warum er sie anfangs für unscheinbar gehalten hatte. Energisch forderte er sich selbst auf, sich auf das Berufliche zu konzentrieren.
»Ich versuche festzustellen, wer Lorrimer als letzter gesehen oder gesprochen hat.« Bildete er es sich ein, oder zitterte ihre Hand wirklich ein wenig, so daß etwas Suppe vom Löffel schwappte?
»Als ich ihn fand, war es noch sehr früh am Morgen. Ich glaube nicht, daß vorher schon jemand bei ihm gewesen ist. Der Mörder mußte nicht notwendigerweise am Tatort sein, oder? Nicht bei Gift.« Aber jemand hatte das Cottage durchwühlt, jemand, der wußte, daß Lorrimer tot war …
»Trotzdem möchte ich wissen, was er zuletzt getan hat, wohin er ging. Der alte Mann hat ihn am frühen Morgen des vorhergehenden Tages gesehen, sie haben sich wieder wegen der
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