Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
er wirklich gut, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Und das andere Bild?« fragte Meredith mit gepreßter Stimme.
»O ja, das war das Porträt eines Mädchens. Eines jungen Mädchens mit langem hellem Haar, eines sehr hübschen Mädchens. Ein wirklich reizendes Bild, aber ich hatte so meine Zweifel, ob ich es verkaufen könnte. Und das war das Komische.« Mr. Perry beugte sich vor. »Ein junger Kerl hat es gekauft. Kam eines Tages hereinmarschiert, sehr pampig. Aggressiver Typ. Bißchen ein Klugscheißer. Stadtmensch, kein Einheimischer. Kennen Sie die Sorte?«
»Ja«, sagte Meredith, »die kenne ich.«
»Sagte, er habe gehört, ich hätte ein Bild von Lorrimer hier. Wollte die Galerie gar nicht sehen, fragte nur nach dem Bild. Ich zeigte es ihm, und er sagte, ja, das ist es. Und holte ein Scheckbuch heraus und fragte schroff: ›Wieviel?‹ Beinahe hätte ich ihm gesagt, er könne es nicht kaufen, nur um ihm Manieren beizubringen. Aber dann dachte ich, daß der junge Lorrimer sich freuen würde, und Geschäft ist Geschäft. Hab’ aber noch einen Zehner auf den Preis draufgeschlagen. Er hat gezahlt, ohne mit der Wimper zu zucken, das Bild unter den Arm geklemmt und ist hinausmarschiert. Hat nicht einmal wegen eines Rahmens gefragt«, fügte Mr. Perry grollend hinzu.
»Ah ja, verstehe …«
»Nein, tun Sie nicht«, sagte Mr. Perry und wakkelte mit seinem Bart. »Ich bin noch nicht fertig. Das war nicht das Ende. Zwei Tage später kam Lorrimer hier hereingestürmt, weiß wie die Wand, und platzte fast vor Wut. Er lief schnurstracks in die Galerie und kam doppelt so schnell wieder heraus. ›Wo ist das verdammte Bild?‹ brüllte er. Ich sagte ihm, daß ichs verkauft hätte. ›Warum haben Sie Saukerl das getan?‹ schrie er. Na ja, ich war selber bei der Marine und hab’ ihm im selben Ton geantwortet. Er beruhigte sich ein bißchen, wurde irgendwie trübsinnig. ›Ich wollte es zurück haben‹, sagte er. Ich antwortete ihm, das hätte ich nicht gewußt. Ich wollte ihm dann das Geld geben, das ich dafür bekommen hatte, abzüglich meiner Prozente natürlich. Er nahm es nicht. ›Behalten Sie das verdammte Geld‹, schnauzte er. ›Mistkerl!‹ Und stürmte wieder hinaus. Danach habe ich ihn nie wiedergesehen. Er muß seine Materialien anderswo gekauft haben.«
Meredith bedankte sich. Sie fuhr zum Pfarrhaus zurück und murmelte ständig »Idiotin! Idiotin! Idiotin!« vor sich hin. Sie ging direkt in den Salon und zu Eves Porträt, das dort hing. Ja, die Pinselführung war plump. Natürlich hatte der Name des Malers ihr kurz nach ihrer Ankunft hier nichts gesagt. Sie hätte sich aber an ihn erinnern müssen, besonders als sie ihn selbst kennenlernte …
Sie schaute in die Ecke des Bildes. Ja, da war die Signatur, gleich über der Stelle, an der ein ziemlich großer Splitter aus dem Rahmen herausgebrochen war; jemand hatte versucht, den Schaden mit goldener Farbe auszubessern.
»Ich hatte gehofft, du würdest es nicht merken.«
Meredith fuhr herum. Eve stand an der Tür, ganz elegant in hellgrünem Seidenkrepp. Sie kam langsam näher und betrachtete das Bild voller Abneigung.
»Warum hast du nie erwähnt, daß Lorrimer dich gemalt hat, Evie?«
Eve zuckte mit den Schultern. »Ist das wichtig? Es wäre doch taktlos, die Leute jetzt daran zu erinnern. Besonders Sara. Ich habe für dieses Porträt nicht selbst gesessen, es wurde nach einer Fotografie gemalt. Robert war öfter geschäftlich in der Gegend unterwegs – noch bevor wir das Haus kauften. Dadurch kam er ja auf die Idee, aufs Land zu ziehen, und erfuhr dann von dem leerstehenden Haus. Ich weiß nicht, wie er Lorrimer kennenlernte, aber Robert interessierte sich für junge Menschen. Er förderte junge Talente und gab Lorrimer den Auftrag, das Porträt nach dem Foto zu malen, er wollte mich damit überraschen. Wir waren erst kurz verheiratet, und er liebte solche Aktionen. Das Bild wurde recht gut, wenn man die Umstände bedenkt. Robert gefiel es jedenfalls, und er bestand darauf, es hier aufzuhängen. Ich denke mir, daß er sich, immer wenn er es ansah, sagen konnte, es sei eine gute Tat gewesen, Lorrimer mit dem Auftrag zu helfen. Es gab ihm ein gutes Gefühl, und das war ein Grund dafür, daß er es so gern mochte. Ich habe Lorrimer erst kennengelernt, als wir hierherzogen. Offen gesagt, es war mir peinlich – das Bild hier an der Wand, und der Künstler ein so schmuddliger junger Mann, der nur einen Steinwurf weit entfernt wohnte. Aber nach Roberts Tod, da
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