Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
einer alten Frau mit einem Einkaufswagen auf Grün. Beide gingen mit ihren Fahrzeugen ziemlich achtlos um, und Meredith fragte sich, ob die junge Frau vielleicht versuchte, sich ihres Babys zu entledigen, weil sie den Kinderwagen schon auf die Fahrbahn geschoben hatte, noch ehe der grüne Mann erschienen war, der den Fußgängern den Weg freigab, und schwere Laster nur wenige Zentimeter vor den Zehen des Kindes vorüberdröhnten und das unglückliche Geschöpf in Abgaswolken hüllten. Und während sie dort stand und wartete, sah sie es. Genau gegenüber an der Ecke.
A. J. PERRY
MALER- UND KUNSTGEWERBE-BEDARF BILDERRAHMUNG
GALERIE
Die Ampel wurde grün. Die junge Frau mit dem Kinderwagen stürmte los, die ältere folgte, energisch ihren Einkaufswagen hinter sich herziehend. Meredith überquerte die Straße ebenfalls, blieb auf dem Gehsteig stehen und spähte durch das Schaufenster in den Laden.
Er machte einen schmuddligen und unordentlichen Eindruck; die Schaufensterware war verblaßt, staubig und voller Fliegendreck, sie schien seit Jahren nicht mehr ausgewechselt worden zu sein. Ein paar handkolorierte Drucke von Bamford waren braun geworden und fast bis zur Unkenntlichkeit ausgebleicht. Meredith stieß die Tür mit dem durch die Sonne verschossenen braunen Rahmen auf, und über ihrem Kopf begann eine Klingel zu lärmen.
Im Laden war niemand, aber in einem der hinteren Räume wurde kräftig gehämmert. Vielleicht rahmte A. J. Perry gerade Bilder ein. Sie nahm an, daß er die Klingel gehört hatte. Meredith sah sich um. Aus staubigen Fächern schauten Farbtuben und Pinsel in verschiedenen Stärken heraus. An der Wand hingen Rahmenmuster in einer Reihe übereinander wie eine Staffel von auf dem Kopf stehenden »V’s«; die Palette reichte von ganz schlicht und modern bis zu verziert und vergoldet für viktorianische Ölgemälde. Die Preise für die Bildverglasung standen handschriftlich auf einem Stück gewellten Kartons. Ein Usambaraveilchen in einem Topf sah verdächtig danach aus, als sei es verwelkt, die dunklen, pelzigen Blätter hingen schlaff über den Topfrand. Meredith griff prüfend hinein, die Erde war knochentrocken. Noch einmal öffnete und schloß Meredith die Ladentür, damit die Glocke wieder bimmelte.
Diesmal erfolgte eine Reaktion. Das Hämmern hörte auf, und ein kahlköpfiger Mann mit einem Rauschebart kam eilends hinter einem Perlenvorhang hervor und musterte sie mit einem finsteren Blick.
»Ah, es ist jemand«, sagte er mürrisch. »Dachte schon, es wären wieder diese verdammten Kinder, die ihren Unsinn treiben.«
Meredith entschuldigte sich für die Störung und erklärte ihm, was sie zu ihm geführt hatte.
»Philip Lorrimer. O ja, ich erinnere mich an ihn.« Mr. Perry, vorausgesetzt, er war es, ging hinter seinen Tresen und stützte sich mit den Handflächen auf die mit allem möglichen Kleinkram übersäte Platte. Nach seinen dunkelblau bis schwarz verfärbten Fingernägeln zu schließen, traf sein Hammer nicht immer, was er treffen sollte. »Er hat bei mir dies und das gekauft, sagte, er sei Töpfer. Ich hab’s in der Lokalzeitung gelesen, daß man ihn umgebracht hat. Hab’ seine Arbeiten nie gesehen – die Töpfereien, meine ich. Nur ein paar Bilder von ihm.«
»Bilder?« Zum erstenmal hörte sie, daß Lorrimer auch gemalt hatte. »Ich wußte gar nicht, daß er malte. Dachte, daß er nur getöpfert hat.«
»Ach«, sagte Mr. Perry, »mußte doch seine Brötchen verdienen. Deshalb hat er getöpfert, hat er mir wenigstens so gesagt. Hätte am liebsten nur Porträts gemalt. Ich habe hier eine kleine Galerie …« Er wies mit dem Kopf zu dem Perlenvorhang hinüber. »Lorrimer hat mir ein paar Bilder gebracht, um zu testen, ob sie sich verkaufen ließen.«
Meredith bemühte sich, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. »Und haben Sie sie verkauft? Oder sind sie noch hier?«
»Also, das ist jetzt komisch«, sagte Mr. Perry und wühlte mit den plumpen Fingern in seinem Bart, als suche er ein paar Rahmen- oder Reißnägel, die während seiner Arbeit darin hängengeblieben sein könnten. »Eines davon war ein Porträt einer Katze, das hat eine alte Dame gekauft. Ich selber mache mir nichts aus Katzen, aber ich glaube, als Katzenbild war es okay. Tierbilder sind gewöhnlich gut verkäuflich, darum habe ich es hereingenommen. Unter uns gesagt, er hat als Maler nicht viel getaugt. Grobe Pinselführung. Aber er hat es verstanden, etwas Wesentliches von seinem Sujet einzufangen, da war
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