Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
Partys und alles andere … Sooft ich konnte, fuhr ich nach London. Am meisten sehnte ich mich danach, mit jemandem über das zu sprechen, was mich beschäftigte. Vor Robert schämte ich mich zu sehr, daher konnte ich mit ihm nicht reden, und er war auch schon ziemlich alt. Mummy und ich zankten uns nur, wenn wir zu reden versuchten, und das machte uns beide unglücklich. Also fiel auch sie aus. Ich wollte mit einem jungen Menschen reden, mit jemandem, der nicht zur Familie gehörte, der keiner Seite verpflichtet war. Mit jemandem, von dem ich annehmen konnte, daß er mir ruhig zuhören und sich unvoreingenommen äußern würde.«
»Dann hat es also damals angefangen, daß du dich Philip anvertraut hast?« fragte Meredith.
Sara nickte. »Wir haben uns erst über die Katzen unterhalten. Dann fing ich an, ihn jeden Tag zu besuchen. Ich ging durch die Gartentür und durch das Gäßchen, das sie Love Lane nennen – ein komischer Name, nicht wahr? Jedenfalls schien Phil nett zu sein
– damals. Er war unkonventionell, ein Künstler, und er brachte mich zum Lachen. Zum Beispiel ahmte er den alten Bert nach, der ständig von seinem Kohl und seinen Karotten schwafelte. Er schilderte mir, wie Bert im Garten umherging und überall Tassen mit Bier hinstellte, in die die Schnecken fallen sollten
– doch dann haben Tom und Jerry das Bier getrunken und sind beide krank geworden. Bert war sauer, weil sie ihm seine Schneckenfallen vermasselt hatten, und Phil war sauer, weil seine Katzen krank geworden waren. Aber hinterher amüsierte er sich darüber und brachte auch mich zum Lachen. Wie Bert wieselte er um sein Atelier herum, schüttelte die Fäuste und verfluchte ›dieses ausländische Ungeziefer‹. Phil ließ mich auch bei seiner Arbeit zusehen, und ich bemalte ein paar Vasen für ihn, als er einen sehr eiligen Auftrag hatte. Ich habe sogar versucht zu töpfern, doch ich war nicht sehr geschickt darin. Alles war so ganz anders als das Leben, das ich zuvor geführt hatte. Phil zerbrach sich nicht den Kopf über die Sachen, die meinen anderen Freunden so wichtig waren. Er wollte keinen schicken Wagen und wollte auch nicht nach St. Moritz zum Schifahren. Er besaß zwei oder drei Jeans, zwei oder drei T-Shirts und eine Lederjacke, und ich glaube tatsächlich, daß das alles war. Ich habe ihn nie in etwas anderem gesehen. Für gutes Katzenfutter gab er Geld aus, an sich selbst dachte er kaum. Er trank sehr viel Milch, und die hielt ihn am Leben. Na ja, jedenfalls erzählte ich ihm alles, während ich die Vasen bemalte und für ihn das Atelier aufräumte. Alles über die Partys, die ich mitgemacht hatte, wer dagewesen war und was die Leute getan hatten. Ein paar von ihnen waren sehr bekannt. Ich meine, nicht die Leute, mit denen ich zusammen war, aber sie hatten berühmte Eltern, von der Regierung und so, es waren nicht nur Theateroder Fernsehleute wie Mummy.«
»Und so bekam Phil eine Menge brisanter Informationen über dich und die anderen in die Hände.«
»Genau«, sagte Sara niedergeschlagen. »Das schien aber nicht von Belang zu sein, weil er doch ein Freund war. Er beschaffte sich auch andere Sachen, Fotos und einen Brief.«
»Wie hat er das denn angestellt?«
Sara rutschte nervös in ihrem Sessel herum; sie wirkte beschämt und zugleich zornig. »Das war meine Schuld. Eine Freundin schrieb mir einen Brief – einen langen Brief voller Klatsch über die Partys, die ich versäumt hatte, und was für Streiche meine Freunde ausgeheckt hatten. Sie berichtete mir wirklich alles. Jetzt ist mir klar, daß es Dinge waren, die, wenn sie den falschen Leuten zu Ohren kamen … Doch der Brief war ja nur für mich bestimmt. Ich vermute« – Sara wurde rot –, »es war alles andere als ein netter Brief.«
»Wahrscheinlich nicht. Und es war auch ein sehr dummer Brief.«
»Sie konnte ja nicht wissen, daß ihn noch jemand zu sehen bekommt. Sie dachte, der Brief würde mich zum Lachen bringen, mich aufheitern«, verteidigte sich Sara. »Und du hast ihn prompt Phil gezeigt, hab’ ich recht?« Einen Augenblick lang dachte Meredith, Sara werde aufspringen und aus dem Zimmer rennen. Doch dann warf ihr Patenkind das lange Haar zurück und blickte sie mit entschlossener Miene an. »Ja, das habe ich. Es war unrecht von mir, das zu tun, weil ich ihr Vertrauen mißbrauchte – sie hatte wirklich nicht gedacht, ich würde ihn, nun ja, einem Außenseiter zeigen, jemandem, der nicht zu unserer Clique gehörte. Und es war unrecht, weil der Klatsch so
Weitere Kostenlose Bücher