Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
wenigstens einen Gedanken daran verschwendet, wie du auf Lorrimer wirken mußtest. Aber du warst nicht die einzige in deiner Familie, die ihn im Stich gelassen hat. Eure ganze verdammte Bande hat es getan. Robert hat sich kurz um ihn gekümmert und ihm den Auftrag gegeben, ein Porträt deiner Mutter nach einer Fotografie zu malen. Du kannst darauf wetten, daß sich Lorrimer höllisch angestrengt hat. Wahrscheinlich sah er darin den Anfang einer neuen Karriere. Aber es führte zu nichts, Robert hat ihn nicht weiterempfohlen, und dann starb er. Eve hat das Bild nie gemocht. Es hing an der Wand, weil Robert es gekauft hatte. Sie hätte für den Künstler ein gutes Wort einlegen können, aber sie hat es nicht getan. Als er die Lampe nach ihr warf – war das im Salon? Hat sie neben dem Bild gestanden?«
Sara nickte, und Meredith fuhr fort: »Dann denk darüber nach. Da stand sie neben dem Bild, das er von ihr gemalt hatte, und warf ihn aus dem Haus wie einen schäbigen kleinen Niemand, der nichts zu bieten hatte. Es war nicht so, daß er die Lampe nach ihr geworfen und sie nur verfehlt hatte – er warf sie nach dem Bild und traf den Rahmen. Ich entschuldige ihn nicht! Aber er wollte als Künstler ernst genommen werden. Die einzigen Töpferwaren jedoch, bei denen er einen regelmäßigen Absatz hatte, waren billiger Kram, und das einzige Bild, das er je durch eine Galerie verkaufen konnte, war das Porträt einer Katze. Mißerfolg macht die Menschen bitter, und es ist nur zu leicht, sich so jemanden zum Feind zu machen.«
Diesmal dauerte das Schweigen länger. Es wurde durch ein Poltern aus der Wohnung über ihnen unterbrochen, als habe oben jemand etwas fallen lassen. Sara beachtete es nicht. Sie schob mit beiden Händen das lange Haar zurück und sagte ruhig: »Ich habe es also mißverstanden. Deswegen hatte er aber noch lange nicht das Recht, sich so zu benehmen. Das habe ich nicht verdient. Es hat mich verletzt, Merry.« In Merediths Ärger mischte sich Mitleid. »Ihr hättet es der Polizei melden müssen, Sara.«
»In solchen Fällen können sie nichts tun. Mummy wußte das, weil sie solche Dinge schon erlebt hatte, als sie sich von Hughie scheiden lassen wollte. Die Polizei mischt sich nicht in häusliche Streitigkeiten.«
Meredith betrachtete nachdenklich eine Schweizer Labkrautpflanze vor sich und dachte an Gary Yewell. »Sag mal, hat Phil gedroht, an die Skandalpresse zu verkaufen, was er wußte?«
»Ja.« Sara sah sie erstaunt an. »Woher weißt du das? Er sagte, eines dieser Revolverblätter würde ihm ein hübsches Sümmchen für eine Skandalgeschichte über Eve Owens’ Tochter und die Kinder aus den höheren Gesellschaftskreisen bezahlen. All die prominenten Namen, dazu Drogen, Alkohol und Sex. Als Beweis hatte er ja die Fotos und den Brief. Deswegen habe ich dir gesagt, es sei keine gewöhnliche Erpressung. Eine Geschichte an eine Zeitung zu verkaufen ist doch legal, oder?«
»Das ist eine heikle Sache«, sagte Meredith düster. »Es ist eine moderne Form der Erpressung, nehme ich an. Der Verbrecher kann seine Ziele ganz offen verfolgen. Es bleibt dennoch schmutzig. War es das, was Phil wollte? Geld?«
»Nein, ich habe dir doch erklärt, daß es keine gewöhnliche Erpressung war«, erwiderte Sara heftig. »Es ging ihm nicht um Geld. Er wollte, daß ich meine Verlobung löse. Wenn ich das täte, sagte er, würde er schweigen. Wenn ich es nicht täte, würde er das ganze Material an die Skandalpresse schicken, und Jon würde so wütend und so bloßgestellt sein, daß er die Verlobung von sich aus lösen würde. Und damit hatte er natürlich recht.«
»Das spricht nicht sehr für Jonathan«, sagte Meredith grimmig.
»Mach Jon keine Vorwürfe!« verteidigte Sara ihren Verlobten. »Ihm bliebe gar nichts anderes übrig. Er muß an seinen Job und seine Familie denken. Aber es hätte auch Mummy schwer zu schaffen gemacht. Robert war gerade gestorben, und sie war sehr niedergeschlagen. Weil sie um Robert trauerte, habe ich ihr nicht erzählt, daß Phil damit drohte, die Geschichte zu verkaufen. Schlimm genug, daß sie von seiner Eifersucht und den Szenen wußte, die er machte. Sag es ihr nicht, Merry! Dadurch wird es nur noch schlimmer.«
»Und Phil hat dir Fotokopien des Briefes und der Fotos geschickt, um noch stärkeren Druck auf dich auszuüben, nehme ich an?« fragte Meredith rasch.
Sara schüttelte den Kopf. »Nein, das brauchte er nicht. Ich wußte ja, daß er sie hatte. Er sagte, er habe sie sicher verwahrt
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