Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
bösartig war und auch nicht der Wahrheit entsprach.«
»Ein Grund mehr, ihn nicht weiterzugeben.«
»Du brauchst gar nicht so moralisch zu tun«, sagte Sara ungehalten. »Der Brief schien amüsant und ziemlich harmlos – damals. Er erzählte von Leuten, die Spaß hatten. Es waren auch Fotos dabei, aufgenommen auf einer Party, als alle schon stockbetrunken und nicht mehr zu bändigen waren, wie das bei Partys eben mal vorkommt. Warst du nie bei einer solchen Party?«
»Doch«, bekannte Meredith reuevoll. »Jetzt zwar schon lange nicht mehr, aber damals, zu meiner Zeit. Ich habe allerdings nie jemandem erlaubt, belastende Fotos zu machen.«
»Nun, diese Leute hatten es erlaubt und auch getan. Und es gab noch ein paar ältere Fotos von derselben Filmrolle, auf denen ich war. Sie waren auf einer der letzten Partys gemacht worden, an der ich teilgenommen hatte.« Sara unterbrach sich und holte tief Luft. Sie ballte und öffnete ihre Hände wieder und wischte sich die schweißfeuchten Handteller an den Knien ab. »Der Brief und die Fotos kamen, als Mummy einen Werbespot fürs Fernsehen machte. Ich war einsam, und nachdem ich den Brief gelesen hatte, sehnte ich mich verzweifelt danach, mit einem Freund zu sprechen. Es sah so aus, als würde ich alles versäumen! Ich nahm den Brief und die Fotos zu Phil mit und las ihm ein paar Abschnitte daraus vor, um ihn zum Lachen zu bringen, und vielleicht auch, um ihm begreiflich zu machen, wieviel Spaß ich in London gehabt hatte. Ich gab einfach an, glaube ich. Ich weiß, es war dumm. Ich war damals dumm. Will gar nicht so tun, als wäre ich’s nicht gewesen. Ich las ihm also ein bißchen vor, und er lachte wirklich. Ich zeigte ihm auch Fotos. Nicht alle. Ein paar ließ ich im Couvert – es war eines von diesen großen braunen. Dann legte ich den Brief und die restlichen Fotos in das Couvert zurück, und Phil und ich redeten über andere Dinge und tranken Kaffee, und nach einer Weile ging ich nach Hause. Ich hatte das Couvert völlig vergessen und dachte erst am nächsten Tag wieder daran – und dann konnte ich es nicht finden. Ich hatte es bei Phil liegenlassen. Ich ärgerte mich ein bißchen darüber, aber nicht allzusehr, denn schließlich war Phil ein Freund – glaubte ich wenigstens. Ich machte mir keine Sorgen. Es schien auch keinen Grund dafür zu geben.«
»Doch er weigerte sich, dir das Couvert zurückzugeben?«
»Ganz so war es nicht. Ich ging zu ihm und bat ihn darum, doch er arbeitete gerade im Atelier und sagte, er habe zu tun und ich solle doch selber im Cottage danach suchen. Was ich auch tat, aber ich konnte es nicht finden. Ich fragte Phil noch einmal, und er erwiderte, ob ich denn sicher sei, daß ich das Couvert bei ihm vergessen hätte. Vielleicht hätte ich es ja auf dem Heimweg verloren, meinte er. In der Love Lane oder im Pfarrgarten. Also suchte ich alles ab, aber ohne Erfolg. Phil sagte, er werde sich irgendwann selbst im Cottage umsehen und mir das Couvert zurückgeben, wenn er es finden sollte. Ich war ein bißchen besorgt, daß ich es in der Love Lane verloren und irgend jemand aus dem Dorf es gefunden haben könnte. Falls es bei Phil lag, war das nicht schlimm, denn Phil war ein Freund. Ich habe ihm vertraut.« Der letzte Satz war ein verzweifelter Aufschrei. »Und er hat mich belogen. Er hatte es die ganze Zeit getan. Er war mein Freund und hat mir das angetan! Behielt den Brief und die Fotos und log mich an.«
Dummes kleines Ding, dachte Meredith bekümmert. »Und wann hat er aufgehört, dein Freund zu sein?« fragte sie. Aber sie kannte die Antwort bereits.
Sara schauderte und holte noch einmal tief Atem. »Als ich mich mit Jon verlobte. Phil veränderte sich völlig. Ich konnte gar nicht glauben, was ich sah und hörte. Es war unheimlich! Er war richtig eifersüchtig. Warum? Ich meine, unsere Beziehung war nicht so gewesen. Wir waren kein Liebespaar, wir waren Freunde. Phil hat mich kein einziges Mal geküßt. Jetzt fing er an, sich zu benehmen, als hätte ich ihn betrogen. Ich konnte es nicht verstehen.« Sie richtete die blauen Augen fragend auf Meredith. »Er sagte, ich hätte mit ihm gespielt, aber das könne er auch. Er wollte, daß ich die Verlobung mit Jon löse. Er sagte, er werde mich dazu zwingen. Ich dachte, er sei verrückt geworden. Dann sagte er mir, daß er den Brief und die Fotos habe, schon die ganze Zeit gehabt habe, und ich bekam Angst. Ich verstand einfach nicht, wie jemand sich so verändern konnte.«
»Phil hat gedacht, du
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