Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
Sie hat die Stellung für mich auch gehalten, als ich im Pfarrhaus war. Ich muß zurück.«
Sie begleitete Meredith in den Flur. Als sie zur Haustür kamen, ließ das Klappern hoher Absätze auf der Treppe beide nach oben schauen. Eine schlanke Blondine mit einem kunstvoll zurechtgemachten Gesicht erschien; sie trug einen langen weißen Pelzmantel, offensichtlich ein Imitat, das aber trotzdem sündhaft teuer gewesen sein mußte. Sie blieb stehen und musterte die beiden mit einem scharfen Blick aus grauen Augen.
»Das ist Fiona«, sagte Sara. »Sie wohnt oben. Meine Cousine Meredith Mitchell, Fi.«
Höflich nickte Meredith der Frau zu, die ihrer Ansicht nach eine Art Model sein mußte.
Fiona warf ihre wilde aschblonde Mähne zurück. »Hi! Wollen Sie gerade gehen? Ist das da draußen Ihr Wagen? Sie fahren nicht zufällig ins West End? Ich bin für meine Fotosession schon reichlich spät dran.«
Meredith machte schon den Mund auf, um ihr vorzuschlagen, sie solle sich ein Taxi rufen, doch irgendein Instinkt hielt sie zurück. Statt dessen sagte sie: »Wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit.«
Sie fuhren los. Das Sonnenlicht war zwar nicht besonders stark, aber Fiona setzte trotzdem eine Brille mit rauchgrauen Gläsern auf und lehnte sich an die Kopfstütze. »Ich kann Sie in der Orchard Street absetzen«, sagte Meredith. »Auf der Seite von ›Selfridges‹ – okay?«
»Ja – großartig.«
Meredith fuhr langsam und wartete. Ohne den Kopf zu wenden, sagte Fiona unvermittelt: »Sara steckt irgendwie in Schwierigkeiten, oder?«
»Ach, wirklich?« Der Wagen bog gemächlich um eine Ecke und hielt an einer roten Ampel.
Als sie standen, bewegte sich die aschblonde Mähne auf der Kopfstütze, und die Sonnenbrille wandte sich Meredith zu. Auch wenn sie nicht hinsah, spürte sie, wie eindringlich der Blick auf ihr ruhte. »Es hat etwas mit diesem Lorrimer zu tun, nicht wahr?«
Meredith freute sich, daß sie sich auf ihren Instinkt verlassen konnte. Das Häschen hatte tatsächlich die Fahrt nur geschnorrt, um zu erfahren, worüber sie mit Sara gesprochen hatte – doch daß Fiona sie so offen auf Philip ansprach, überraschte sie so sehr, daß sie fast den Motor abwürgte, als die Ampel auf Grün sprang. Eine oder zwei Sekunden war sie gegenüber der anderen im Nachteil und konnte nicht sofort antworten. Dann fragte sie verblüfft: »Haben Sie Philip gekannt?«
»Ach, kommen Sie schon«, sagte Fiona herablassend, »sehe ich so aus, als hätte ich mit so jemandem etwas zu tun?«
»Nein«, antwortete Meredith aufrichtig.
Fiona nahm es als Kompliment. Ihr Ton wurde ein wenig sanfter, und sie wurde vertraulich. »Sara hat mir von ihm erzählt. Ich kannte Sara schon ziemlich lange, ehe ihre Mutter und ihr Stiefvater sie aufs Land verfrachteten. Anfangs hat Sara es gehaßt. Scheint am Arsch der Welt zu sein. Sie schrieb mir ziemlich regelmäßig. Und sie erzählte mir auch von diesem Typen im Nachbarhaus, der Aschenbecher und Krüge machte, du meine Güte! Ich habe ihr geraten, sich von ihm fernzuhalten. Er war ein absoluter Versager. Diese Typen machen immer Ärger. Man wird sie nie los. Als sie vor ein paar Tagen in die Stadt zurückkam, sagte sie, Lorrimer sei tot. Er sei ermordet worden, nach Aussage der Polizei. Ich war nicht überrascht.«
»Warum nicht?«
»Hab’ ich doch erklärt«, sagte Fiona ungeduldig. »Diese Typen wird man nie los. Sie sind wie Blutegel. Ich wette, die arme Sara war nicht die einzige, die er ausgesaugt hat. Kein Wunder, daß ihn jemand umlegte. Ich hätte es jedenfalls getan. Nur hätte ich ihm von vornherein nicht erlaubt, sich an mich zu hängen.«
Meredith erspähte am Bordstein eine Lücke zwischen zwei Autos. Sie manövrierte den Wagen hinein und stellte den Motor ab.
»Also schön«, sagte sie energisch und wandte sich Fiona zu, »was wollen Sie wissen – und nehmen Sie bitte diese lächerliche Brille ab.«
Fiona setzte gelassen ihre Sonnenbrille ab. »Ich will wissen, ob Sara Schwierigkeiten hat. Sie ist meine Freundin. Und sie ist mit einem früheren Freund von mir verlobt – Jonathan Lazenby.«
Allmählich begannen die Konturen sich deutlicher abzuzeichnen. »Sagen Sie«, entgegnete Meredith, »bevor Sara aufs Land zog – haben Sie beide damals dieselben Partys besucht? Hatten Sie dieselben Freunde?«
Fiona zuckte mit den Schultern. »Ein paar. Ist das nicht bei allen so? Ich meine, geht nicht jeder zu denselben Partys, und hat nicht jeder dieselben Freunde?«
Kommt darauf an, in welchen
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