Mord ist auch eine Lösung
Das tat er auch – obwohl es nicht die war, die sie erwartet hatte.
»Es tut mir leid, das geht nicht. Wie ich schon sagte, es war Zeitpersonal. Die beiden arbeiten nicht mehr für uns.«
Sie wünschte, sie hätte ihm irgendwie das selbstzufriedene Grinsen vom Gesicht wischen können, aber das ging nicht. Man konnte schlecht brutale Polizeimethoden anwenden, wenn man nicht mal bei der Polizei war.
Jetzt hatte er Oberwasser. Honey kochte vor Wut, widerstand aber der Versuchung, mit den Zähnen zu knirschen. Sie hatte ja noch ein Ass im Ärmel.
»Haben Sie eine Nachsendeadresse für die beiden?«
Er schüttelte den Kopf. »Leider nicht.«
Die Bilder aus den Detektivfilmen wollten ihr nicht aus dem Kopf gehen. Am liebsten hätte sie ihm vors Schienbein getreten, nur um ihm diesen widerlich süßlichen Ausdruck des Triumphes aus dem Gesicht zu wischen. Er schaute so ähnlich wie sie noch vor ein paar Sekunden. Sie spürte, dass |150| er drauf und dran war, etwas zu sagen, das ihr nicht gefallen würde. Und sie hatte recht.
»Sie sind wieder nach Russland zurückgegangen.«
Honey hielt inne.
»Das ist ziemlich weit weg. Ein Auslieferungsabkommen für Leute, die Kabel durchschneiden, gibt es wahrscheinlich nicht. Zu schade, Mr. Parrot. Das bedeutet nämlich, dass Sie die Kosten dafür tragen müssen, dass das Überwachungssystem der alten Dame repariert wird.«
»Das muss ich erst mit meinen Vorgesetzten besprechen.«
»Machen Sie das. Und zwar sofort!«
Wieder tauchte der misstrauische Ausdruck auf dem schmalen Gesicht auf. Die Lippen waren verkniffen, und die hohe Stirn glänzte wie bei einem vergoldeten Buddha. Parrot öffnete den Mund, als wollte er sich weigern, doch da schien er es sich plötzlich anders zu überlegen.
»Ich werde das unverzüglich in die Wege leiten. Ich bitte einen Mann von der Elektrofirma, gleich rüberzugehen und alles zu reparieren.« Sogar sein Tonfall hatte sich verändert, war beinahe angenehm.
»Gut.«
Dieser plötzliche Gesinnungswandel war irgendwie seltsam. Erste Priorität bei einem Hotelmanager hatten doch wohl die Kosten. Na ja, egal. Honey hatte erreicht, was sie wollte.
»Ich mache das jetzt gleich.«
Umso besser.
»Das wäre gut.«
Er nahm den Telefonhörer, tippte eine Nummer und bellte einen Befehl. »Ich möchte, dass Sie das noch heute erledigen, allerspätestens morgen. Können Sie das schaffen? Gut.«
»So«, meinte er, als das Gespräch zu Ende war. »Das sind sehr zuverlässige Leute. Sie übernehmen ziemlich viele Aufträge für den Konzern.«
»Gut. Das wird die alte Dame freuen.«
»Bitte übermitteln Sie ihr meine aufrichtige Entschuldigung, |151| und informieren Sie sie, dass die Sache unverzüglich wieder in Ordnung gebracht wird.«
»Fein«, sagte Honey leichthin und machte auf dem Absatz kehrt. »Unverzüglich, das reicht mir.«
Gerechtigkeit! Sie hatte Gerechtigkeit für eine schutzlose ältere Dame erwirkt – na ja, ganz schutzlos war sie nicht. Miss Camper-Young war eigentlich eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit. In jungen Jahren hatte sie für eine verdächtig geheimnisvolle Abteilung des Verteidigungsministeriums gearbeitet. Honey war sich nicht sicher, in welcher Funktion, wenn auch wohl die Aufgaben, die Frauen in den sechziger und siebziger Jahren in einer solchen Abteilung übernommen hatten, ziemlich stumpfsinnig gewesen waren. Wahrscheinlich hatte sie Berichte von Geheimagenten getippt, überlegte Honey. Wendig und flexibel war Miss Camper-Young ja anscheinend, trotzdem konnte sich Honey nicht vorstellen, dass sie irgendwas anderes gemacht hatte. Leute, die Laura-Ashley-Kleider mit Rosenmuster trugen, waren doch zu sehr Lady, als dass sie mit dem Fallschirm im feindlichen Ausland absprangen und für ihr Vaterland Spionage betrieben.
Ganz gleich, womit sie sich in jungen Jahren beschäftigt hat, jetzt ist sie alt und schutzlos, rief sich Honey in Erinnerung. Der Gedanke an jemanden, der schutzlos ist, brachte ihr wieder Bilder von Philippe Fabiere in den Kopf.
Parrot begleitete sie zur Tür.
Honey blieb kurz stehen, ehe sie hinausging.
»Wo waren Sie, als Philippe Fabiere umgebracht wurde?«
»Der Innenarchitekt?«
Er sagte das, als erinnere er sich nur vage an die Existenz dieses Mannes, obwohl er als Hotelmanager doch eng mit ihm zusammengearbeitet haben musste. Er schaute völlig ausdruckslos drein. Das konnten Leute in Hotels gut. Sie mussten es können. Sie hatten ja jede Menge Gelegenheit zum
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