Mord ist auch eine Lösung
einmischt. Ins Leben anderer Leute.«
»In deines, Mutter?«
Honey zog die Augenbrauen hoch und wollte sarkastisch werden. Diese Mühe hätte sie sich sparen können. Ihre Mutter schien die Angelegenheit außerordentlich ernst zu nehmen.
»Ganz sicher nicht!«, antwortete sie entrüstet. »Für Menschen wie mich interessiert sie sich nicht. Sie ist hinter Leuten her, die das Gesetz brechen. Und dann hat sie was gegen Ausländer. Du weißt doch, wie sie ist.«
Ja, musste Honey zugeben, sie wusste tatsächlich, wie Cybil war. Sie war alt, sie lebte allein, und sie war vielleicht einsam. Da war nichts anderes zu erwarten.
»Sie weiß eben gern, was um sie herum passiert«, schlug Honey vor. »Sie scheint sich im Dorf ja sehr zu engagieren.« Das stimmte nicht unbedingt, aber weitere Nachforschungen könnten das durchaus bestätigen.
Ihre Mutter wollte nichts davon wissen. »Hannah, ich bin zwar alt, aber nicht blöd! Cybil hält sich für eine Art Robin Hood. Und sie behauptet, dass der Besitzer des Hotels gegenüber sich mit ein paar Gestalten aus Star Trek verbündet hat.«
Ein Bild von Cybil in waldgrünen Strumpfhosen mit Pfeil und Bogen spukte Honey durch den Kopf. Und noch die eine oder andere seltsame Gestalt aus intergalaktischen Sphären. Das Fernsehen war an Einigem schuld! Beide Szenen |225| waren zumindest so komisch, dass Honey ein Lächeln aufs Gesicht trat.
Das bemerkte ihre Mutter.
»Hannah! Das ist nicht zum Lachen! Ich mache mir wirklich große Sorgen, dass Cybil Riesenprobleme bekommt. Vielleicht ist Robin Hood nicht der richtige Vergleich. Vielleicht hätte ich eher Zorro sagen sollen.«
Honey biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut loszulachen. Zorro? Konnte sie sich Cybil wirklich in einem schwarzen Cape und mit einem großen Schlapphut vorstellen, wie sie mit dem Schwert ihre Initiale am Tatort einritzte? Nein, das konnte sie nicht. Cybil war durch und durch der Laura-Ashley-Typ.
Honey schenkte Tee ein, um ihr Grinsen verbergen zu können. Dann fragte sie ihre Mutter, woher sie denn das alles wüsste.
Gloria beugte sich in Verschwörermanier zur ihr hin. »Sie hat es mir selbst erzählt. Sie meinte, sie hätte vor, noch ein paar Dinge geradezurücken, ehe sie sterben müsse. Besonders, was Leute beträfe, die Katzen nicht leiden können.«
Insgesamt fand Honey, dass das vielleicht keine schlechte Idee wäre. Eine Art Superheldin könnte viel Gutes tun, wenn sie sich ein bisschen anstrengte. Das sagte sie auch ihrer Mutter.
»Nein, Hannah. Ich weiß ja, dass Cybil nicht alle Tassen im Schrank hat, aber das heißt doch nicht, dass sie völlig unverantwortlich handeln kann und mit ihrem Revolver, den sie 1969 irgendwo in Ostberlin aufgetrieben hat, so einfach losstürmen kann.«
»Mutter, jetzt flunkerst du aber«, fuhr Honey dazwischen und konnte das Grinsen nun nicht mehr verbergen. »Cybil Camper-Young hat doch nicht tatsächlich einen Revolver.«
»O ja, sie hat einen. Und sie ist eine Superschützin.«
Honey schaute ihrer Mutter ins Gesicht. Sie hatte immer gehofft, dass sie die feinen Wangenknochen und die jugendlich glänzenden Augen geerbt hatte. Doch jetzt lag auf Glorias |226| Zügen ein Ausdruck, den Honey selten zuvor gesehen hatte. Gloria wirkte ernsthaft besorgt und sogar ein wenig verwirrt.
»Du meinst das ernst?«
Gloria Cross nickte.
Honey starrte sie an. Die Tatsache, dass eine alte Dame von Mitte siebzig mit einem Schießeisen in der Tasche durch Bath spazierte, war wirklich furchterregend. Gäbe es hier Straßengangs – und Honey glaubte das eigentlich nicht –, dann sollten sich diese Kerle besser vorsehen. Ansonsten: Peng!
»Du meinst es wirklich ernst!«, rief Honey ungläubig.
Ihre Mutter nickte langsam. »Ich würde nicht darüber reden, wenn es nicht wahr wäre. Sie hat mir den Revolver gezeigt.«
Das wurde ja immer unwirklicher. Ältere Damen passten einfach nicht in die Rolle der Rächerin, die das Gesetz in die eigene Hand nimmt. Na gut, Cybil war ziemlich muskulös, aber sie trug Kleider mit Röschenmuster. Wie konnte jemand, der sich so anzog, mit einer Luger herumlaufen oder mit sonst einer Waffe?
Honey tröstete sich mit der Hoffnung, dass dieser Revolver nichts als eine Attrappe war oder wenigstens so alt, dass er nicht mehr funktionierte. Besser noch, Cybil hatte wahrscheinlich keine Munition. Aber auf Wünsche und Hoffnungen durfte sie sich nicht verlassen.
»Du musst ihr sagen, dass sie die Waffe nicht vorzeigen darf, sonst wird sie
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