Mord ist auch eine Lösung
aufgeregt.
»Oma bespricht sich gerade mit Mary Jane. Sie wollen nicht gestört werden.«
»Du machst dir deswegen Sorgen?«
»Sie haben darüber geredet, dass sie jemandem irgendeine Arznei verabreichen wollen. Ich habe das zufällig mitbekommen. Meinst du, Oma wird allmählich ein bisschen plemplem? Oder glaubst du, dass Mary Jane was damit zu tun hat?«
Honey sah gerade die Post durch, als sie antwortete. »Ich bin mir nicht sicher, welche von den beiden nur überkandidelt und welche wirklich verrückt ist.«
»Du wirkst ein bisschen zerstreut.«
»Hmmm.«
»Du hast diese Post jetzt schon siebenmal durchgesehen. Das sind Rechnungen. Das siehst du doch, dass es Rechnungen sind. Oh, und ein Franzose ist vorbeigekommen und wollte mit dir Kaffee trinken. Ich habe ihm gesagt, du wärest außer Haus und ich wäre mir nicht sicher, wann du zurückkommst.«
|265| »Oh! Zu schade!«
Honey klatschte alle Umschläge auf den Tresen. »Ich bin in Gedanken ganz woanders. Ich versuche herauszufinden, ob ich mich in St. Margaret’s Court einmischen soll oder nicht. Die Polizei ist draußen und befragt Leute. Ich will mich ja nicht vordrängen, aber …«
Sie berichtete Lindsey von ihrer Unterhaltung mit dem Handelsvertreter.
»Das hat dir der schlüpfrige Sid gesagt, was?«
»Der schlüpfrige Sid? Ich dachte, der Kerl heißt Errol.«
Ihre Tochter hatte ein sehr ausdrucksstarkes Gesicht. Es konnte ganze Bände sprechen, ohne dass sie dazu den Mund aufmachen musste. Der augenblickliche Ausdruck bedeutete: Ach, komm schon! So blöd kannst du doch nicht sein?
Honey war sich darüber im Klaren, dass ihre Tochter ziemlich naseweis und frühreif war. »Na gut, hab verstanden. Schlüpfriger Sid passt genau. Hast du schon gehört, dass meine Mutter und Mary Jane auf einer Art Kreuzzug sind?« Es konnte nicht schaden, Lindseys Meinung dazu zu erfahren.
Die verdrehte die Augen. »Ist dir schon mal aufgefallen, dass meine Großmutter und Mary Jane sich ziemlich ähnlich sind?«
Diese Frage verdutzte Honey. Ihre Mutter hatte einen erlesenen Geschmack in Sachen Kleidung, einen fragwürdigen Geschmack in Sachen Männer und einen sehr gesunden Respekt vor Geld. Mary Jane dagegen trug alles, was sie in die Finger bekam, Hauptsache, es war rosa oder pistaziengrün. Sie war der Meinung, dass Männer eine nützliche Erweiterung der weiblichen Hälfte der Menschheit sind, und sie gab nur aus, was sie unbedingt musste. Ihre Kleider stammten gewöhnlich aus Second-Hand-Läden oder von Flohmärkten. Für sie war nur die Farbe wichtig und vielleicht noch, wie sie die Stücke zusammenstellen konnte. Die Herkunft oder gar Marke interessierten sie nicht.
Nach kurzem Nachdenken kam Honey jedoch zu einem |266| überraschenden Ergebnis. Wenn es wirklich ernst wurde, ähnelten sich die beiden wohl darin, dass sie zu sehr vielen Themen eine ausgeprägte eigene Meinung hatten. Beide blieben unverrückbar bei ihrem Image: ihre Mutter sah immer aus wie gerade vom Laufsteg gehüpft, Mary Jane eher wie frisch vom Katzenschutzbund eingekleidet.
»Da könntest du recht haben. Sie sind beide ziemlich auf ihren Typ festgelegt.«
»Ja, nur jede auf einen anderen Typ«, ergänzte Lindsey.
Honey musterte ihre wunderbare, so logisch denkende Tochter. Die hatte sich in letzter Zeit das Haar wachsen lassen. Im Augenblick war es im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Die Farbe des Monats war rot mit blonden Strähnchen. Es passte blendend zu der rotweiß-gestreiften Regency-Tapete in den Fluren im Obergeschoss.
»Jeder sieht die Welt auf seine Weise, aber man kann sich trotzdem auf Gemeinsamkeiten einigen. Zum Beispiel macht sich Großmutter wirklich große Sorgen wegen Miss Camper-Youngs Verhalten, und Mary Jane hat zwar sonst ganz andere Ansichten als Oma, versteht aber ihre Unruhe.«
»Du denkst also, es wäre eine gute Idee, die liebe alte Cybil zu hypnotisieren?«
Honey war ein wenig beunruhigt beim Gedanken an die möglichen Nebenwirkungen. Mrs. Hoffners völlig weltabgewandter Gesichtsausdruck war ihr noch ziemlich deutlich in Erinnerung.
»Ganz bestimmt nicht«, antwortete Lindsey. »Ich glaube, die nette alte Dame ist vielleicht ein bisschen von der Rolle. Aber das heißt noch lange nicht, dass die beiden sich da einmischen sollten. Vielleicht macht es ihr ja Spaß, die paar Monate, die ihr noch bleiben, als Katze zu verbringen. Wenn sie das will, dann lasst sie doch. Wieso sollten wir da reinreden?«
Honeys Aufmerksamkeit hatte
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