Mord ist ihre Leidenschaft
Ernstes zu behaupten, er wäre für das Grauen, das meine Tochter hat ertragen müssen, verantwortlich gewesen? Sie waren noch Kinder. Kinder. Ich würde freiwillig den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen, wenn er Sie dafür endlich als die sähe, die Sie tatsächlich sind!«
»Summerset.« Roarke saß zwar noch auf seinem Platz, legte jedoch eine Hand auf den Arm des alten Freundes und sah Eve gerade an. »Er braucht eine kurze Pause.«
»Meinetwegen. Das Verhör wird auf Bitte des Beistands des Befragten unterbrochen. Rekorder aus.«
»Setzen Sie sich wieder hin«, murmelte Roarke, ohne dass er die Hand vom Arm des Butlers nahm. »Bitte.«
»Sehen Sie das denn nicht? Sie sind alle gleich.« Summersets Stimme bebte vor Erregung, doch er kehrte zurück an seinen Platz. »Mit ihren Dienstausweisen und ihrer Schikane und ihren leeren Herzen sind die Bullen einfach immer gleich.«
»Das bleibt abzuwarten«, antwortete Roarke mit einem Blick auf seine Frau. »Lieutenant, wir würden gern kurz allein mit Ihnen sprechen.«
»Das lasse ich nicht zu«, rief Summerset dazwischen.
»Diese Entscheidung liegt ja wohl bei mir. Peabody, wenn Sie uns bitte kurz entschuldigen.« Höflich lächelnd wies Roarke in Richtung Tür.
Eve blieb stehen, wo sie war, und sah ihrem Gatten reglos ins Gesicht. »Warten Sie draußen, Peabody. Und passen Sie auf, dass niemand reinkommt.«
»Sehr wohl, Madam.«
»Schallschutz ein.« Auch als sie mit den beiden Männern allein war, behielt sie die Fäuste in den Taschen. »Du hast also beschlossen, mir etwas zu sagen«, setzte sie mit kühler Stimme an. »Hast du dir allen Ernstes eingebildet, mir wäre nicht bewusst, dass du mir was verschweigst? Ist es vielleicht möglich, dass du mich für eine verdammte Vollidiotin hältst?«
Roarke entdeckte die Verletztheit hinter ihrem Zorn und hätte beinahe geseufzt. »Tut mir Leid.«
»Sie entschuldigen sich noch bei dieser Person?«, schnauzte Summerset erbost. »Nach allem, was sie – «
»Halten Sie die Klappe«, wies Eve ihn zähnebleckend an. »Woher soll ich wissen, dass ich nicht genau ins Schwarze getroffen habe? Schließlich findet sich die Ausrüstung, um sämtliche Spuren eines Anrufs zu verwischen, um sogar die Computerüberwachung auszuschalten, direkt bei uns im Haus. Wer außer uns dreien weiß darüber Bescheid? Das erste Opfer war ein alter persönlicher Freund von Roarke. Der zweite war ebenfalls ein alter Freund, der obendrein noch in einem von Roarkes Häusern ermordet worden ist. Sie wissen genau, was er alles besitzt, was für Geschäfte er tätigt und was er in seiner Freizeit macht. Es ist beinahe zwanzig Jahre her, aber das ist nicht besonders lange, wenn man den Tod der eigenen Tochter rächen will. Woher soll ich wissen, dass Sie nicht bereit sind, alles zu opfern, nur, um ihn zu zerstören?«
»Weil er alles ist, was ich noch habe. Weil er sie geliebt hat. Weil er die einzige Familie für mich ist.« Als Summerset nach seinem Glas griff, schwappte etwas von dem Wasser auf den Tisch.
»Eve.« Obgleich wütende Hände sein Herz in dem Bemühen, es in zwei verschiedene Richtungen zu zerren, beinahe zerrissen, sprach er in ruhigem Ton. »Bitte setz dich und hör zu.«
»Ich kann auch im Stehen zuhören.«
»Halt das, wie du willst.« Müde presste er die Finger auf die Augen. Die Frau, der das Schicksal sein Herz gegeben hatte, war wirklich ein höchst schwieriger Mensch. »Ich habe dir von Marlena erzählt. Nachdem Summerset mich aufgenommen hatte, war sie für mich wie eine Schwester. Aber ich war kein Kind mehr«, fuhr er mit einem zärtlich amüsierten Blick in Richtung seines Butlers fort. »Und unschuldig schon gar nicht.«
»Halb tot geschlagen war er, als er auf meiner Schwelle stand«, fügte Summerset der Vollständigkeit halber in erbostem Ton hinzu.
»Ich war einfach unvorsichtig gewesen.« Roarke zuckte mit den Schultern. »Auf alle Fälle blieb ich bei den beiden und wir haben bestens miteinander kooperiert.«
»Als Taschendiebe und Betrüger«, kam Eves gepresster Einwurf.
»Wir haben überlebt.« Beinahe hätte Roarke abermals gelächelt. »Dafür werde ich mich sicher nicht entschuldigen. Ich habe dir erzählt, dass Marlena… sie war wirklich noch ein Kind, aber sie hat etwas für mich empfunden, dessen ich mir nicht bewusst war. Und eines Abends kam sie hochherzig und voller Liebe in mein Zimmer. Ich jedoch war grausam. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit der Situation umgehen sollte,
Weitere Kostenlose Bücher