Mord ist schlecht fürs Geschäft
buschige Augenbrauen, und zudem war er schwarz gekleidet. Diese Schwärze bildete einen unheimlichen Kontrast zu seiner bleichen Haut. Wie Graf Dracula, dachte sie, und merkte, dass sie ihm auf den Mund starrte, als er sprach. Keine Spur von Vampirzähnen.
»Ich habe mit Ihnen über einen amerikanischen Touristen geredet, einen Mr. Elmer Weinstock, wenn er sich Ihnen vielleicht auch als Maxted vorgestellt hat.«
Ein Lächeln erhellte die finsteren Züge des Pfarrers. »Ah ja, interessanter Knabe. Ich denke, er hat einfach die Gewohnheit nicht ablegen können, immer ein Pseudonym zu benutzen. Er hat mir beide Namen genannt und gemeint, er hätte seine Gründe. Hat mich auch schwören lassen, dass ich niemandem seinen wirklichen Namen verrate. Das hat mir keine Schwierigkeiten bereitet. Meiner Meinung nach hat er es einfach |152| spannend gefunden, zwei Namen zu haben. Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen.«
Na, das war doch schon mal was. Vielleicht bargen die beiden Namen wirklich kein Geheimnis, und es war lediglich eine Angewohnheit, die er sich als Detektiv zugelegt hatte.
»Konnten Sie ihm helfen?«
»Oh, das denke ich schon. Er hatte allerdings selbst bereits eine Menge Vorarbeit geleistet.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass diese beiden Namen in und um Bath besonders häufig sind.«
»Das sind sie auch nicht. Er hat aber nicht seinen eigenen Stammbaum erforscht, sondern den seiner Frau, und dann auch nur den der angeheirateten Familie. Eine Kusine seiner Frau hat in dieser Kirche Sir Andrew Charlborough geheiratet.«
»Wirklich?« Das war jetzt aber mal interessant.
»Wirklich.« Sein Finger deutete auf eine relativ neue Eintragung im Kirchenbuch.
»Sie ist vor etwa zwanzig Jahren gestorben.«
Honey erinnerte sich an die Fotos: Schwarzweißaufnahmen von Charlborough, seiner Gattin und einem Kind, später eine von einem jungen Mann, dem erwachsen gewordenen Kind.
»Und der Sohn? Sind sein Name und sein Geburtsdatum auch hier verzeichnet?«
Pfarrer Mellors klappte den Band zu. »In dem hier nicht.« Er griff nach einem anderen gebundenen Buch. »Seine Taufe dürfte hier drinstehen.«
Sie sah ihm zu, wie er die Seiten durchblätterte.
»Ah, da haben wir es. Lance Charlborough wurde vor achtzehn Jahren getauft.«
Honeys Gedanken wanderten wieder zu den Fotos von dem attraktiven jungen Mann. Einige waren erst kürzlich aufgenommen worden. Und seine Mutter war vor zwanzig Jahren gestorben. Darauf wollte sie gerade hinweisen, als Mellors ihr zuvorkam.
|153| »Das ist nicht sein Geburtsdatum, müssen Sie wissen«, erklärte der Pfarrer, der ihren Gesichtsausdruck richtig interpretiert hatte. »Das würde in diesem Buch hier stehen«, meinte er und tippte auf den vorherigen Band, den er durchgesehen hatte.
»Werden denn Kinder normalerweise nicht innerhalb weniger Wochen nach der Geburt getauft?«, fragte sie ihn.
Er spitzte seine breiten, sinnlichen Lippen und nickte. »Ge wöhnlich schon. Es muss irgendeinen Grund dafür gegeben haben, vielleicht, dass sie zu dem Zeitpunkt im Ausland waren. Sir Andrew war, soweit ich weiß, beim Militär.«
»Hatte Elmer Kinder?«
»Nein. Ich habe ihn gefragt, wissen Sie, interessehalber, wie man das so im Gespräch macht. Er hat gesagt, seine Frau hätte eine Erbkrankheit, und sie hätten sich deshalb dagegen entschieden. Sie ist anscheinend vor einiger Zeit gestorben. Er ist jetzt allein.«
Sie wollte ihn gerade bitten, das Geburtsdatum von Lance Charlborough nachzuschlagen, als die Frau, die sich mit den Blumen beschäftigt hatte, etwas die Treppe herunter rief.
»Telefon für Sie, Herr Pfarrer. Im Arbeitszimmer.«
»Ich komme sofort.« Er lächelte bedauernd. »Tut mir leid. Ich leite oft meine Anrufe auf mein Mobiltelefon um, aber Mrs. Quentin vertraut nur Gott, nicht jedoch der modernen Technik. Sie geht immer schon nach dem ersten Läuten ans Telefon.« Er seufzte. »Nun denn. Es tut mir leid.«
»Macht nichts.«
»Ich schaue für Sie nach und rufe Sie an. Das sollte nicht allzu lange dauern. Ist Ihnen das recht?«
»Natürlich.«
Mrs. Quentin, die flinke Floristin, geleitete Honey den Mittelgang entlang zur Kirchentür – es war ein bisschen wie eine Hochzeit im Rückwärtsgang.
»Der Pfarrer nimmt es mit der Sicherheit nicht so genau«, meinte sie leicht gehetzt, als könnte sie es kaum erwarten, wieder zu ihren Blumen zurückzukehren. »Aber ich achte |154| immer darauf, dass Besucher auch wieder ordentlich aus dem Gebäude begleitet
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