Mord ist schlecht fürs Geschäft
gesagt, das sie nicht hören konnte.
Doherty sah nicht sonderlich erfreut aus. »Sonst steht nichts da? Stadtverwaltung? Hat niemand daran gedacht, nachzuforschen, in welcher Abteilung?«
Offensichtlich nicht. Er klappte das Telefon mit einem lauten Knallen zu.
»Affenbande! Alle miteinander. Haben alle irgendein Abschlusszeugnis, aber trotzdem ist es eine Affenbande!«
»Machen Sie sich nichts draus. Sie wissen doch schon, dass die Gefriertruhe jetzt leer ist.«
»Völlig.«
Doherty legte ihr den Arm um die Schultern. Sie interpretierte das als Aufforderung, den Spaziergang fortzusetzen. Er sprach mit überraschendem Ernst, hielt die Augen nun auf den Boden gerichtet. Keinerlei Anzeichen, dass er »frech« werden wollte, wie ihre Mutter das zu nennen pflegte – außer dem Arm. Er war ganz beim Thema, fasste noch einmal zusammen, was geschehen war – in der Variante, die Mrs. Herbert geliefert hatte.
»Manchmal, wenn Mervyn Bath und die Touristen zum |189| Hals heraushingen oder wenn Mrs. Herberts Exmann drohte, er würde ihm den Schädel einschlagen, stieg Mervyn einfach in einen Zug und fuhr weg.«
»Wohin?«
»Irgendwohin. Nach zwei Tagen oder so war er zurück. Aber diesmal kam er nicht wieder. Dafür tauchte Davies auf und war überaus erfreut, dass der andere nicht zurückkehrte. Hat angeboten, er könnte doch wieder einziehen. Loretta war sehr dafür. Cora schien auch nicht sonderlich viel dagegen zu haben. Sie könnten die Sache gemeinsam gemacht haben.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Honey.
»Davies ist abgehauen! Das lässt auf ein schlechtes Gewissen schließen. Vielleicht hat er Mervyns Volvo-Kombi genommen. Den haben wir nämlich auch noch nicht gefunden.«
»Sobald man die Leiche entdeckt hatte …«
»Genau. Und jetzt haben Sie mir noch erzählt, dass Mr. Herbert seine Stieftochter vergewaltigt hat …« Beinahe hätte Doherty triumphierend die Faust in die Luft gereckt. »Er war’s. Er muss es gewesen sein!«
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|190| Kapitel 24
»Guten Abend.«
Lächelnd begrüßte Honey die Gäste, die ins Restaurant des »Green River Hotel« kamen. Die meisten wohnten im Hotel, aber Smudger hatte einen ziemlich guten Ruf, und so waren meist auch ein paar Einheimische da, die seinen Hummer Termidor oder seine himmlische weiße Schokoladenmousse mit Orangenlikör genießen wollten.
Mrs. Welsh, ein Stammgast, war mit ihrem Mann gekommen. Sie hatte die Angewohnheit, sich immer zu erkundigen, ob der Koch »etwas für ihre Pussi« hatte; sie besaß nämlich drei Katzen und ließ sich deshalb die Reste der Mahlzeit für die »Kätzchen« einpacken. Die Frage zauberte unweigerlich die Röte auf Smudgers sommersprossiges Gesicht.
Mary Jane hatte noch zwei Wochen bis zu ihrer Heimreise. Sie kam in erdbeerrotem Chiffon hereingeschwebt, die großen Füße in goldene Römersandalen gezwängt, deren Riemen auf der halben Wade in einem Knoten endeten. Mary Jane war über siebzig und hegte die Absicht, so exzentrisch wie irgend möglich zu altern.
Zufriedenheit zeichnete sich auf ihren hageren Zügen ab, und ihre Augen blitzten und schauten in die Weite – völlig korrekt für eine Dame, die behauptete, in ihrem Freundeskreis einige Gespenster zu haben. Die Besucherin, die bisher in Mary Janes angestammtem Zimmer gewohnt hatte, war endlich abgereist, und sie war sofort umgezogen. Endlich war sie wieder allein mit Sir Cedric.
Zimmer fünf war wirklich gespenstisch; anders konnte man es nicht beschreiben. Honey mochte die hohe Holzdecke nicht, und auch nicht die albernen Wandschränke, die nicht |191| tief genug waren, um darin Kleider ordentlich aufzuhängen. Sobald die Saison vorbei war, wollte sie hier renovieren lassen. Da sie das Gefühl hatte, ihre Pläne seien unter Umständen unwillkommen, hatte sie sie Mary Jane gegenüber nie erwähnt.
»Tut mir leid, ich bin ein bisschen spät dran«, sagte Mary Jane in ihrem träge gedehnten kalifornischen Tonfall. Aus der Nähe betrachtet funkelten ihre Augen überirdisch hell.
Honey ahnte, was nun kommen würde.
»Ich habe mich überaus vertraulich mit Sir Cedric, dem reizenden Schätzchen, unterhalten«, verkündete Mary Jane, klapperte mit den Augendeckeln und presste sich die lange, knochige Hand an den Busen. »Er hat mir ein paar wirklich skandalöse Familiengeheimnisse anvertraut.«
Honey täuschte ehrfurchtsvolles Interesse vor und sprach genau wie Mary Jane nur noch im hauchigen Flüsterton. »Tat sächlich ?« Gleichzeitig führte sie
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