Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
mit Luise eine bessere Beziehung zu pflegen. Andererseits hatte Luise das vermutlich gar nicht nötig.
»Milch und Zucker?«
Hanna zuckte zusammen. »Schwarz.«
Sie nippte an ihrer Tasse und stand dann auf. »Ich muss zurück.«
»Müssen Sie nicht«, entgegnete Johannsen mit einem selbstsicheren Lächeln im Gesicht, das sie ihm am liebsten weggewischt hätte. »Fritz wird auch allein mit dem Grafen fertig. Der gibt jeden zweiten Tag eine Anzeige gegen unbekannt auf, weil angeblich mal wieder in seinem Wald gewildert wurde. Und in den nächsten zehn Minuten wird hier auch keine Bank überfallen. Wir haben sowieso keine in Hasellöhne. Nicht mal eine Sparkasse. Also, entspannen Sie sich.« Er nahm sich ein großes Stück Streuselkuchen und biss hinein.
Hanna ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen.
»Luises Schnaps ist ein starkes Zeug«, sagte Johannsen, nachdem er den Kuchen mit einem großen Schluck Kaffee hinuntergespült hatte. »Aber das da …« – er wies mit der Kuchengabel zur Mitte des Platzes – »… ist bloß der Dorfbrunnen von Hasellöhne und nicht die Fontana di Trevi in Rom. Und Sie sind nicht Anita Ekberg.«
Hanna starrte angestrengt in ihre Kaffeetasse. Anita Ekberg? Die vollbusige blonde Schwedin, die einst aufreizend im Trevibrunnen gebadet und eine ganze Generation italienischer Männer um den Verstand gebracht hatte?
Bitte nicht! Stand Johannsen etwa auf diesen Typ Frau? Tja, dann war er bei ihr schlecht dran. Brünett statt platinblond, vorn eher flach als ausladend, dafür mit einigen Pölsterchen an den falschen Stellen – kein Männertraum, bestimmt nicht.
Aus unerfindlichen Gründen spürte sie so etwas wie Bedauern.
Teufel auch!, fluchte Hanna im Stillen. Es konnte nicht angehen, dass sie innerhalb der ersten zwölf Stunden in Hasellöhne gleich zwei Männer anziehend fand. Westermann stellte keine Gefahr da. Der hasste sie abgrundtief. Gott sei Dank.
Fast hätte sie gekichert. Der Teufel und der Liebe Gott in einem Gedankengang – wenn das bloß gut ging!
Sie linste zu Johannsen rüber. Dieser Mann war nicht so leicht abzuhaken. Die Sache konnte ziemlich kompliziert werden.
Ich muss hier weg, dachte sie. Sofort. Ihr fiel bloß keine gute Ausrede ein. Selbst ihr Handy gab keinen Ton von sich. Wo blieben Anrufe des Exfreundes, wenn man sie brauchte?
Johannsen bedachte sie mit einem langen prüfenden Blick. Er schien tief in ihr Innerstes zu dringen, direkt in ihr Herz, um genau zu sein. Und was er dort fand, missfiel ihm offensichtlich. Er wirkte peinlich berührt, fand Hanna. Da half nur zurückstarren und schweigen. Klappte bloß bei diesem Mann nicht. Johannsen ließ sich nicht so leicht verunsichern wie Westermann.
»Meine Praxis liegt direkt über der Apotheke«, sagte er ruhig. »Zufällig stand ich vorhin am Fenster und habe beobachtet, wie die Leute vor Ihnen zurückgewichen sind. Nehmen Sie das nicht so schwer. Alles braucht seine Zeit.«
Beinahe hätte Hanna erleichtert aufgeseufzt. Eigentlich war sie schon auf eine Erklärung dafür gefasst gewesen, dass aus ihnen beiden kein Paar werden konnte (»Sie ahnen es vielleicht schon, Frau Petersen: Mein Frauenideal ist groß, platinblond und vollbusig«).
»Ja«, gab sie lächelnd zurück. »Laut Luise werde ich in etwa vierzig Jahren hier akzeptiert werden.«
Statt ebenfalls zu lächeln, nickte er vollkommen ernst. Dann beugte er sich vor, legte kurz seine Hand auf ihre und sagte: »Ich muss Sie warnen.«
Hanna erschauerte. Wieder spürte sie die Schwingung, die von seiner Haut auf ihre übersprang. Johannsen verbarg etwas, ein Geheimnis, eine dunkle Seite, die er zu haben schien. Sie ahnte nicht, was es war, sie wusste nur: Es war nichts Gutes.
Seit Hanna zum ersten Mal diese Gabe an sich entdeckt hatte – und das war vor mehr als zwanzig Jahren gewesen –, hatte sie bei den Menschen, die unbewusst diese Schwingung aussandten, noch nie eine schöne Überra schung erlebt. Nur hässliche.
Mit zwölf Jahren war es zum ersten Mal passiert. Ein Junge aus ihrer Schule hatte sie eingeladen, ihn später in einem verlassenen Keller zu treffen.
»Nur wir beide«, hatte er gesagt und sie dabei sanft am Oberarm berührt. Der Junge war drei Jahre älter gewesen als Hanna und der Schwarm aller Mädchen in der Schule. Auch Hanna war schon lange heimlich in ihn verliebt. Aber zu dem Treffen war sie nicht gegangen. Es hatte sich komisch angefühlt, von ihm angefasst zu werden, irgendwie unangenehm.
Später erfuhr sie,
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