Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
Flasche fallen. »Das ist mir noch nie passiert. Ich sehe ein sitzendes Pferd, das sich von einer Kommissarin streicheln lässt. Das ist schlimmer als weiße Mäuse oder blaue Elefanten. Jo! Hilfe!«
Johannsen hatte sich nicht gerührt, nur sein Blick war zwischen Hanna und dem Pferd hin und her gewandert.
»Das ist Alfred«, erklärte er.
»Wat?«, fragte Westermann.
Hanna bekam einen steifen Rücken, aber sie hörte mit dem Kraulen nicht auf. »Alfred?«
Zwei schmutzige Pferdeohren stellten sich auf, der große runde Kopf schien leicht zu nicken.
»Hallo, ich bin Hanna.«
»Ogottogott!«, rief Westermann. »Ich schwöre, ich rühre im Leben keinen Schnaps mehr an. Ein Gaul, der Alfred heißt. Nein!«
»Reg dich ab«, erklärte Johannsen ruhig. »Eva hat den Namen nicht ausgesucht.«
»Eva Löhme?«, fragte Westermann.
Hanna schwieg und hörte zu.
Johannsen nickte. »Sie hat das Pferd im Frühling aus Tschechien mitgebracht. Wusstest du nichts davon?«
»Nee. Ich kann ja nicht alles wissen. Was kümmert mich auch das Viehzeug? Aber Eva hat den Egon doch im Sommer Knall auf Fall verlassen. Wegen ’nem Berliner Musiker, richtig?«
»Genau. Sie hat alles hinter sich gelassen. Auch Alfred.«
»Weil der in der Stadt nicht so gut auf den Balkon gepasst hätte.«
»So ungefähr. Seitdem lässt Egon ihn einfach bei den Kühen stehen, und es ist ihm egal, dass er immer fetter wird, weil er dem Vieh das Kraftfutter wegfrisst. Ich glaube, am liebsten hätte er ihn schlachten lassen, aber das hat er dann doch nicht fertiggebracht.«
Beim Wort schlachten zuckte Hanna zusammen.
Alfred auch. Seine großen, leicht hervorstehenden Augen wurden einen Ton dunkler.
»Dich schlachtet niemand, mein Freund«, versprach sie ihm schnell. Er entspannte sich wieder.
Du spinnst, verkündete ihre innere Stimme.
Egal, dachte Hanna. Alfred versteht mich.
»Es ist eine Schande«, erklärte Johannsen. »Der Bauer lässt dieses schöne Tier einfach vor die Hunde gehen. Alfred steht nur noch auf der Weide rum und frisst sich noch tot. Dem fehlen tägliche Bewegung und die richtige Pflege.«
Westermann verpasste ihm eine Kopfnuss. »Schönes Tier? Hat Luises Schnaps deine Sehnerven geschädigt? Der Gaul ist potthässlich.«
»Ist er nicht«, sagte Hanna, die längst ihr Herz an die Froschaugen und den krummen Kopf verloren hatte. Auch an die Löcher im Fell, an die X-Beine, die im Sitzen nicht so auffielen, an den dicken Bauch, der dafür noch sehr viel dicker wirkte.
»Ist er nicht«, sagte auch Johannsen und bekam dafür eine winzige Ecke von ihrem Herzen ab.
»Geschmackssache«, meinte Westermann.
Johannsen rappelte sich auf, stand ein bisschen schwankend, hielt sich dann am Zaun fest.
»Alfred ist ein Altkladruber Barockpferd«, erklärte er ganz ohne zu stottern.
»Nie davon gehört.«
»Das ist eine der ältesten Rassen der Welt. Diese Pferde haben schon vor vierhundert Jahren die Staatskarossen von Königen und Fürsten in ganz Europa gezogen. Sie wurden aus altspanischen und italienischen Rassen gekreuzt. Der Ramskopf ist übrigens ein typisches Merkmal dieser Rasse, genau wie der rechteckige Körperbau. Eva hat mir erzählt, dass sie ihn direkt im Staatsgestüt Kladruby in der Nähe von Prag gekauft hatte. Wegen der leichten Beinfehlstellung bekam sie ihn günstiger.«
»Muss ich jetzt beeindruckt sein? Und warum hat der nun diesen bescheuerten Namen?«
Johannsen rieb sich die Stirn. »Warte, ich komme gleich drauf. Ach ja, sein voller Name ist Generale Aluma, aber weil Bauer Löhme sagte, das klinge wie ein homosexueller General, hat er ihn in Alfred umgetauft, kaum dass Eva weg war.«
»Der Name ist in Ordnung«, erklärte Hanna und zog ihre schwarz gewordenen Hände aus dem dreckigen Fell. »Ich kaufe ihn.«
»Chefin«, sagte Westermann betont langsam. »Meinst du nicht, wir haben Wichtigeres zu tun?«
»Ein Pferd zu kaufen hält mich nicht von meiner Arbeit ab.« Und als hätte diese nächtliche Entscheidung endlich Klarheit in ihren Kopf gebracht, drehte sie sich langsam zu Johannsen um.
»Von dir hätte ich gern zweierlei gewusst. Erstens: Warum hast du mir drüben beim Grafen nicht die ganze Wahrheit gesagt? Du hast in unserem Mordfall jemanden in Verdacht, stimmt’s?«
Es fühlte sich merkwürdig an, ihn zu duzen und gleichzeitig so anzugreifen, aber sie blieb hart.
»Und zweitens?«, fragte Johannsen kühl.
»Zweitens hätte ich gern gewusst, warum du dich als Doktor ausgibst, wenn du gar
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