Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
meine alten Knochen«, erklärte sie. »Nachher werde ich mich schön mit meinem Schnaps einreiben.«
Hanna lächelte, obwohl Luise es im schwachen Licht der Kutscherlaternen nicht sehen konnte. »Danke, dass du mich da rausgeholt hast.«
»War ja wohl nötig, Schätzchen. Ein paar Leute sahen so aus, als wollten sie dich am höchsten Baum der Umgebung aufhängen.«
Hanna fror noch ein bisschen mehr.
»Aber der Jo, der hat dich gern.«
Hm. So kalt war’s eigentlich doch nicht.
»Quatsch«, erwiderte Hanna trotzdem. »Der hasst mich. Ich habe sein Geheimnis aufgedeckt.«
Luise kicherte. »Ich weiß. Das hat sich herumgesprochen. Aber hassen tut der dich nicht. Du musst noch viel lernen über die Männer, Schätzchen.«
Sie bogen in die Hauptstraße ein und hatten schon fast Luises Haus erreicht, da stimmte Hans Albers das Lied von der Reeperbahn an. Als er ihr vorschlug, bis morgen früh um neune seine kleine Liebste zu sein, begriff Hanna, dass Westermann irgendwann im Laufe des Tages an ihr Smartphone gekommen sein musste.
»Ach«, murmelte Luise und schickte einen langen Seufzer in die Nachtluft. »Die Reeperbahn! Das waren noch Zeiten!« Sie versank in Erinnerungen, während Hanna sich wütend meldete.
»Petersen!«
»Fallersleben haut ab«, raunte eine Männerstimme. »Der Mercedes wird gerade vollgepackt. Kommen Sie her! Beeilen Sie sich!«
Ganz kurz war Hanna wie erstarrt. Aber sofort fing sie sich, und die Polizistin in ihr übernahm das Kommando.
»Herr Lüttjens!«, rief sie. »Sie sind doch Herr Lütt jens, richtig? Wo sind Sie? Ist mein Kollege bei Ihnen? Was geht da vor?«
Der Anruf war längst unterbrochen.
Luise hob fragend die Augenbrauen. »Herr Lüttjens? Du meinst den Heinz-Otto?«
Hanna nickte nur, während sie hektisch Westermanns Nummer wählte. Mailbox.
Verdammt!
»Was ist denn los, Schätzchen?«
Hannas Auto war vor Luises Haus geparkt. Sie setzte sich rasch in Bewegung.
»Fallersleben will flüchten«, sagte sie über die Schulter. Im Moment waren ihr die Ermittlungsgeheimnisse egal. Vielleicht konnte sie von Luise etwas Wertvolles erfahren.
»Und der Heinz-Otto hat dir das gesteckt?« Die alte Frau gab sich alle Mühe, mit Hanna Schritt zu halten.
»Ganz genau. Er hat mich auch gestern angerufen und den Mord gemeldet.«
Luise fiel ein Stück zurück und keuchte. »Das wundert mich gar nicht«, erklärte sie.
Hanna blieb stehen. »Und warum?«
Luise holte Luft. »Zwischen den beiden herrscht seit ungefähr vierzig Jahren offener Krieg. Fallersleben hat Heinz-Otto verboten, durch seinen Wald zu fahren, weil er mit seiner Kutsche das Wild aufschreckt. Aber der tut es trotzdem. Ich glaube, Heinz-Otto hat sich schon mit Fallerslebens Vater darüber gestritten.«
»Interessant«, sagte Hanna und spurtete wieder los. Immerhin wusste sie jetzt, warum Heinz-Otto den Grafen bei der Polizei verpfiff. Aber wieso er anonym bleiben wollte, war ihr ein Rätsel. Andererseits – wer legte sich in Hasellöhne schon offen mit dem Grafen an? Niemand. Mochte sein, dass es noch einen weiteren Grund gab. Einen, den Westermann kannte und Hanna nicht. Sie würde es schon noch herausfinden. Jetzt galt es zu handeln, bevor der Graf ihren Hauptverdächtigen fortschaffte.
Seinen eigenen Sohn.
»Danke, Luise! Bitte versuch, Westermann zu erreichen! Sag ihm, er soll zum Herrenhaus kommen. Ich brauche ihn!«
Sie war bei ihrem Golf angekommen, sprang hinein und fuhr los.
Als sie kurz darauf durch den Wald in Richtung Herrenhaus fuhr, fühlte sich Hanna in einem Déjà-vu gefangen. Ziemlich genau vierundzwanzig Stunden war es her, dass sie hier entlanggefahren war, um die Mitglieder der Jagdgesellschaft zu vernehmen.
Hansdieter war noch richtig programmiert und leitete sie über die Schotterstraßen. Am Mittag war Westermann ihr persönliches Navi gewesen, aber jetzt im Dunkeln hätte Hanna sich ohne elektronische Hilfe verfahren. Ihr Smartphone lag auf dem Beifahrersitz, und sie versuchte es mit der Wahlwiederholung beim Polizeihauptmeister.
Immer noch die Mailbox.
»Teufel auch!«, fluchte Hanna laut. »Westermann, wo steckst du bloß?«
Sie war allein.
Jemand hätte bei ihr sein sollen. Ein Kollege, ein Freund oder … ja, oder Johannsen. Sie fühlte wieder seinen Arm auf ihrer Schulter liegen. Fest und leicht zugleich.
Mist!
»Konzentrier dich, Hanna Petersen!«
Da, die Abzweigung. Hansdieter forderte sie auf, rechts abzubiegen.
Gleichzeitig meldete sich Hans Albers wieder
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