Mord nach Drehbuch
gewesen sein, das sie hatte. Warum sollte es jemand mitnehmen?«
Doherty zuckte die Achseln. »Wir richten drüben im Haus eine Einsatzzentrale ein. Jemand muss gesehen haben, wie der Mörder in den Wohnwagen hineinging. Niemand verlässt diesen Ort, ehe ich nicht alles zu meiner Zufriedenheit überprüft habe.«
»Gilt das auch für die Statisten?«
»Natürlich.«
»Einschließlich meiner Familienmitglieder?«
Doherty erstarrte und schien die Luft anzuhalten. »Deine Mutter ist auch als Statistin dabei?«
»Leider ja. Sie ist eine unverbesserliche Romantikerin. Das müsstest du doch inzwischen wissen. Sie hat sogar ein Musselinkleid und einen Strohhut ergattert.«
»Und ich hatte mich schon darauf gefreut, dass wir beide, du und ich, hier unseren eigenen kleinen Erotikfilm drehen könnten.«
»Doch nicht bei dem Wetter …«
»Wir hätten doch wegfahren sollen.«
»Lass uns erst mal das hier in trockene Tücher bringen«, erwiderte Honey.
Wenn er nicht einen Mordfall am Hals gehabt hätte, dann hätte Doherty so etwas Ähnliches erwidert wie: »Und dann können wir zwei endlich zwischen die Tücher, äh, Laken.« Aber wenn es drauf ankam, dann wurde er immer sehr ernst.
Er wandte seine Gedanken widerwillig den anliegenden Aufgaben zu, einer Reihe von Befragungen und bereits aufgenommenen Aussagen, und sagte: »Ich hab noch einiges zutun. Wir sehen uns später – das heißt, wenn du Zeit hast. Ich würde dich ja zu mir einladen, aber ich weiß nicht, wann ich wieder zu Hause sein werde. Würde es dir was ausmachen, wenn ich bei dir vorbeikäme?«
Sie zögerte keine Sekunde. »Wann immer du magst.«
Wieder waberte der Duft von gebratenem Speck herüber, nun auch noch begleitet vom würzigen Aroma einer leckeren Cottage Pie: Hackfleisch in einer sämigen Soße mit Zwiebeln und Möhren, darüber eine überbackene Kruste aus luftig leichtem Kartoffelbrei. Das Geschäft am Cateringwagen lief blendend. Honeys Magen knurrte. Ihre Augen blieben weiter auf den Wagen gerichtet.
Doherty hatte sie nicht eingeladen, bei den Befragungen dabeizusitzen, und sie hatte ihn auch nicht gefragt, ob sie das dürfte.
Sie schaute zu dem wunderschönen Regency-Haus hinüber, aus dem sie gerade gekommen waren. Der Name »Circus« war genau richtig gewählt für diesen Platz, der mindestens genauso berühmt war wie der Royal Crescent. Zudem hatte der Architekt John Palmer hier ein echtes Juwel geschaffen: drei Segmente mit je elf Häusern bildeten einen Kreis, der in der Mitte ein Rondell wie eine grüne Insel einschloss.
Honey wandte ihren Blick um 180 Grad und schaute wieder auf den Cateringwagen. Das Haus und der Wagen von Martyna Manderley standen einander gegenüber. Unmittelbar vor ihr und auf halbem Weg zum Tatort war der Cateringwagen geparkt. Sie sah noch einmal genau hin. Kein Zweifel: Der große alte Imbisswagen, an dessen Theke warmes Essen und Getränke ausgegeben wurden, war direkt in der Mitte platziert und bot den besten Blick auf Martyna Manderleys Wohnwagen. Der Typ, der den Wagen betrieb,
musste
einfach was gesehen haben.
Kapitel 7
Man hatte die Schauspieler einschließlich der Statisten gebeten, die Kostüme anzubehalten. Sie standen in Gruppen herum und nippten an ihren Styroporbechern. Einer der Statisten hielt sich ein wenig abseits. Honey ging schnurstracks auf ihn zu.
»Casper!« Sie versuchte, fröhlich zu wirken. Er sah aus, als könnte er eine Aufheiterung gebrauchen. »Wie geht es Ihnen?«
Er schaute leicht gequält und leidend drein. Sein Kiefer war verkrampft.
»Das hier ist eine völlig untragbare Situation«, sagte er und verstärkte seine Bemerkung noch, indem er angewidert die bereits blau angelaufenen Lippen schürzte. »Sehen Sie sich nur dieses entsetzliche Kostüm an!«
Honey stopfte ihre Hände samt den Fäustlingen in die Manteltaschen und versuchte, ihr Kichern zu unterdrücken. Casper bot einen wahrhaftig denkwürdigen Anblick. Er steckte immer noch im Kostüm eines Mannes, der sich seinen Lebensunterhalt damit verdient, dass er Pferdeäpfel einsammelt.
»Es sollte jetzt nicht mehr allzu lange dauern.«
»Das will ich auch hoffen«, keifte er ungeduldig.
»Die Polizei muss ihre Arbeit machen. Wir können es doch nicht zulassen, dass der Ruf unserer Stadt geschädigt wird. Der Schuldige muss verhaftet werden – und zwar schnell.«
Sie hatte ganz ähnlich argumentiert, wie das Casper selbst sonst gern machte, wenn ein Verbrechen begangen worden war. Normalerweise drängte
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