Mord nach Drehbuch
schaute sie fragend an. »Wohin?«
»In ein nettes Restaurant. Das nach Ihrem Geschmack wäre. Ich würde Sie nicht in irgendeinen Laden mitnehmen, nicht einen erfahrenen Meisterkoch wie Sie.«
Die Stunde der aufgeblasenen Egos war gekommen. Honey würde sich fantastisch fühlen, wenn ihr das hier gelang und sie den Schuldigen vor Steve Doherty finden und verhaftenkönnte. Und Richard Richards war erfüllt von seiner eigenen Wichtigkeit. Er brannte darauf, jemandem zu erzählen, was er wusste. Und sie war hier, um das alles aufzuschreiben. Block und Bleistift hatte sie immer dabei.
»Nicht, dass ich jemanden gesehen hätte, der da reingegangen ist und dort nichts zu suchen hatte. Die Mädels von der Maske, der zweite Regieassistent, der zweite Techniker, die Kostümchefin und das Continuity-Mädchen. Alles genau, wie es sein muss.« Dann lehnte er sich über die Theke zu Honey. »Jeder von denen könnte es gewesen sein. Die hatten alle ein Hühnchen mit ihr zu rupfen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Richard Richards baute sich massig über ihr auf, und sie fühlte sich wie ein verängstigtes Streifenhörnchen, das einem Zwei-Meter-Grizzly gegenüberstand.
»Ihre Aussage könnte ungeheuer wichtig sein«, sagte sie und versuchte, all ihren Mut aufzubringen.
»Sie glauben doch nicht, dass die Polizei so was merken würde!«
Richard Richards war beleidigt, weil man ihn nicht als Allerersten gebeten hatte, eine Aussage zu machen. Anscheinend war Martyna Manderley nicht die einzige Primadonna am Set gewesen!
Als der Koch seinen muskulösen Unterarm auf die Theke stützte, knarrte das verzogene Holz unter seinem Gewicht.
»Ich bin ja froh, dass doch jemand am Ball ist. Ich sag Ihnen was«, fuhr er fort und schaute sich vorsichtig um. Honey fühlte sich an ein viktorianisches Melodram erinnert. »Ich schreibe eine Liste von allen, die ich beim Reingehen gesehen habe, und –
und «
, wiederholte er mit noch wichtigerer Miene, »außerdem notiere ich noch alle interessanten Details zu diesen Leuten, inklusive ihrer Beziehung zu Martyna und möglicher Mordmotive. Wie hört sich das an? Und dann treffen wir uns auf einen Kaffee. Wäre Ihnen das recht so?«
»Wunderbar. Bitte nehmen Sie auch die friedliebenden Eingeborenen mit auf Ihrer Liste auf, ja?«
Er verzog ein wenig das Gesicht. »Na, wer weiß wie friedliebend die wirklich sind. Ich meine, Martyna geliebt hat keiner von denen. Das wollte sie auch gar nicht. Die hat immer gedacht, dass sie weit über der gewöhnlichen Masse steht, wenn Sie wissen, was ich meine. Na ja, jetzt ist sie ein paar Meter drunter, nicht? Zumindest demnächst – sobald sie unter der Erde ist.«
Sein Kommentar war so nüchtern, dass es Honey kalt über den Rücken lief. Offensichtlich hatte er Martyna nicht gemocht, aber, überlegte sie, da war er ja keineswegs der Einzige.
Kapitel 8
Am frühen Morgen des nächstens Tages machte Honey gerade ein paar Gymnastikübungen auf dem Fußboden. Zum einen wollte sie sich damit von ihrer Enttäuschung ablenken, zum anderen ihren Körper stählen. Zunächst einmal hatte Doherty sein Versprechen nicht gehalten und war am Vorabend nicht vorbeigekommen. Unter den gegebenen Umständen war das keine große Überraschung. Dass Steve ein pflichtbewusster Polizist war, besänftigte allerdings nicht ihren Wunsch, ihn einmal ganz für sich zu haben.
Noch ein Bauchaufzug, und noch einer! All ihre schwabbeligen Körperregionen schmerzten; sogar der Kopf tat ihr weh! Sie dachte über Steve nach. Wie würden sie beide in einem Jahr zueinander stehen? Die Beziehung machte Fortschritte, aber nur im Schneckentempo.
Und ihre schwabbeligen Regionen, wie würde es mit denen in einem Jahr stehen? Wären sie für immer Vergangenheit? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Doch wie sollte sie das schaffen? Sie aß einfach zu gern, und in der kühlen Jahreszeit fiel es ihr besonders schwer, der Versuchung zu widerstehen.
Beim Gedanken an Essen fiel ihr unweigerlich Richard Richards ein.
Der Mann hatte eine seltsame Art, sich auszudrücken. Es ging ja noch, wenn er über Essen sprach – natürlich über Essen, das seine überaus geschickten Hände bereitet hatten. Vielleicht hatte es etwas mit dem vielen Dampf und den Fettschwaden zu tun, die er inhalieren musste, überlegte Honey, als sie sich mühsam zu ihrem neununddreißigsten Bauchaufzug hochquälte. Der vierzigste war noch schwieriger. IhreMuskeln weigerten sich hartnäckig, weiter mitzumachen, und,
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