Mord Nach Maß
sollen.«
»Wir wollten es nicht«, sagte ich. »Schließlich hätten wir unseren unbekannten Feind damit nur noch mehr gegen uns aufgebracht.«
»Ja, aber dieses Unwesen muss unterbunden werden«, beharrte er, plötzlich ganz Stadtvater. »Andernfalls, müssen Sie wissen, geht das immer so weiter. Die Leute halten es wahrscheinlich für witzig. Bloß klingt es mir nach etwas mehr als einem schlechten Witz. Ekelhaft ist das… bösartig… Es ist doch nicht so«, sagte er, mehr zu sich selbst als zu uns, »es ist doch nicht so, dass jemand hier am Ort etwas gegen Sie hätte, gegen Sie persönlich, meine ich?«
»Nein«, antwortete ich, »es kann nicht nur daran liegen, dass wir hier fremd sind.«
»Ich werde der Sache nachgehen«, versprach Phillpot. Er erhob sich und warf dabei einen Blick in die Runde. »Also wirklich, das Haus, das Sie sich da gebaut haben, gefällt mir. Hätte ich gar nicht gedacht. Ich bin ein bisschen verspießert, müssen Sie wissen. Ich mag sonst nur alte Häuser, nicht diese Betonkästen, die überall aus dem Boden schießen. Aber dieses Haus gefällt mir. Es ist unkompliziert und wahrscheinlich sehr modern, aber es hat klare Formen und viel Licht. Und wenn man aus seinen Fenstern schaut, sieht man die Dinge… nun ja, ganz anders als vorher. Interessant, sehr interessant. Wer ist der Architekt, ein Engländer oder ein Ausländer?«
Ich erzählte ihm von Santonix.
»Mhm«, machte er, »mir scheint, ich habe schon von ihm gelesen. Könnte es in House and Garden gewesen sein?«
Er sei ziemlich bekannt, meinte ich.
Beim Abschied lud Major Phillpot uns zu sich ein, und wir besuchten ihn Anfang der folgenden Woche. Sie bewohnten ein Haus aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert, mit schönen klaren Linien, doch sonst nicht besonders aufregend. Innen war es schäbig, aber gemütlich. An den Wänden des langen schmalen Speisezimmers hingen Bilder, die ich für Ahnenporträts hielt; die meisten schienen mir ziemlich schlecht, obwohl sie durch eine gründliche Reinigung vielleicht hätten gewinnen können. Nur eines, das Porträt eines blonden Mädchens in rosa Satin, gefiel mir. Major Phillpot lächelte.
»Da sind Sie gleich auf eines unserer Prunkstücke verfallen. Es ist ein Gainsborough, und zwar ein guter, obwohl das Modell seinerzeit ziemlich umstritten war. Sie stand unter dem starken Verdacht, ihren Mann vergiftet zu haben. Vielleicht nur ein Vorurteil, denn sie war Ausländerin. Gervase Phillpot hat sie irgendwo aufgelesen.«
Man hatte noch einige andere Nachbarn zum Lunch gebeten. Dr. Shaw, schon älter, mit freundlichem, aber etwas erschöpftem Gehabe; er wurde noch vor dem Ende der Mahlzeit abgerufen. Außerdem den Vikar, einen ernsthaften jungen Mann, und seine Frau in mittleren Jahren, mit herrischer Stimme – eine auf Corgis spezialisierte Hundezüchterin. Und zuletzt ein hochgewachsenes, hübsches Mädchen mit dunklem Haar, Claudia Hardcastle; nur eine heftige Allergie, die sich als Heuschnupfen äußerte, hinderte sie daran, sich voll und ganz ihrem Lebensinhalt, den Pferden, zu widmen.
Ellie und sie fanden schnell Kontakt. Ellie ritt für ihr Leben gern und hatte ebenfalls unter einer Allergie zu leiden.
»In den Staaten bekam ich sie meist vom Jakobskraut«, erzählte sie. »Aber manchmal auch von Pferden. Heute macht es mir fast nichts mehr aus, weil einem die Ärzte ja auch schon bei Allergien so wunderbar helfen können. Ich muss Ihnen mal ein paar von meinen Kapseln geben, sie sind orangegelb. Wenn man vor dem Ausreiten daran denkt, eine zu nehmen, muss man nachher kaum noch niesen.«
Claudia Hardcastle war entzückt. »Gegen Kamele bin ich besonders allergisch, schlimmer als gegen Pferde«, sagte sie. »Letztes Jahr in Ägypten, als wir zu den Pyramiden ritten – ich kam aus dem Weinen gar nicht mehr heraus, die Tränen liefen mir nur so übers Gesicht.«
Ellie meinte, manche Leute vertrügen auch keine Katzen.
»Oder Federbetten.« Sie unterhielten sich weiterhin über Allergien.
Ich saß neben Mrs Phillpot, einer hoch gewachsenen, lattendürren Frau, die in den Kaupausen, die ihr herzhafter Appetit ihr gestattete, ausschließlich über ihre Krankheiten sprach. Gelegentlich besann sie sich auf ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen und erkundigte sich, was ich denn so trieb. Als ich das pariert hatte, unternahm sie halben Herzens den Versuch, mich nach meinen Bekannten auszufragen. Wen ich denn kenne? Wahrheitsgemäß hätte ich ihr »niemanden« antworten
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