Mord Nach Maß
Vorhänge ließen wir offen. Für heute waren wir noch Selbstversorger; am nächsten Tag sollte das Personal eintreffen, das wir für teures Geld eingestellt hatten.
»Bestimmt werden sie sich über die Einsamkeit beschweren und sofort wieder kündigen wollen«, unkte Ellie.
»Zahlen Sie ihnen eben den doppelten Lohn, dann bleiben sie schon«, meinte Santonix.
»Sie denken wohl, jeder ist käuflich«, lachte Ellie, aber es war nicht spaßig gemeint.
Wir hatten Pastete mitgebracht, Weißbrot und große rote Garnelen. Vergnügt saßen wir um den Tisch, aßen und unterhielten uns. Sogar Santonix wirkte gestärkt und belebt; seine Augen glänzten erregt.
Es geschah ganz plötzlich. Ein Stein flog durchs Fenster und krachte auf den Tisch. Dabei zerbrach ein Weinglas, und ein Splitter verletzte Ellie an der Wange. Einen Augenblick lang waren wir wie gelähmt, dann sprang ich auf, rannte zum Fenster, riss es auf und stürzte auf die Terrasse hinaus. Weit und breit niemand. Ich kehrte ins Zimmer zurück.
Mit einer Papierserviette wischte ich Ellie einen Tropfen Blut von der Wange. »Du bist verletzt… Hier, Liebes, es ist nur ein Kratzer. Nicht schlimm.«
Ich begegnete Santonix’ Blick.
»Warum machen sie so was?«, fragte Ellie.
»Halbstarke«, sagte ich, »du kennst sie ja, junge Taugenichtse. Wahrscheinlich wussten sie, dass wir heute einziehen wollten. Ein Glück, dass sie nur einen Stein geworfen haben. Sie hätten auch ein Luftgewehr oder so nehmen können.«
»Aber warum? Was haben sie gegen uns?«
»Das weiß ich doch nicht. Pure Roheit wahrscheinlich.«
Ellie erhob sich plötzlich. »Ich habe Angst«, sagte sie. »Ich fürchte mich.«
»Morgen werden wir’s schon herauskriegen«, beruhigte ich sie. »Die Leute hier sind uns noch fremd.«
»Liegt es daran, dass wir reich sind und sie arm?« Sie fragte es nicht mich, sondern Santonix, als ob er es besser wüsste.
»Nein«, antwortete Santonix langsam, »daran liegt es nicht, glaube ich…«
»Nein, sie hassen uns einfach«, sagte Ellie. »Sie hassen Mike und mich. Warum? Weil wir glücklich sind?«
Wieder schüttelte Santonix den Kopf.
»Nein«, stimmte Ellie ihm zu, »nein, es ist noch anders. Etwas, das wir nicht kennen. Es ist Gipsy’s Acre. Jeder, der hier wohnt, ist ihnen verhasst. Wird von ihnen verfolgt. Vielleicht gelingt es ihnen am Ende noch, uns von hier zu vertreiben…«
Ich schenkte ihr ein Glas Wein ein.
»Bitte nicht, Ellie, sag so was nicht. Hier, trink. Das eben war ein scheußliches Erlebnis, aber doch nur ein Dummerjungenstreich.«
»Wer weiß«, murmelte Ellie, »wer…« Sie sah mich scharf an. »Irgendwer will uns vertreiben, Mike.«
»Wir lassen uns aber nicht«, versprach ich und fügte hinzu: »Ich gebe schon Acht auf dich. Niemand wird dir was tun.«
Wieder sah sie Santonix an.
»Sie müssten es doch wissen. Sie waren die ganze Zeit hier auf der Baustelle. Haben sie Ihnen gegenüber nichts erwähnt? Auch schon Steine geworfen, oder die Bauarbeiten sabotiert?«
»Man bildet sich so leicht etwas ein«, sagte Santonix.
»Also doch Zwischenfälle?«
»Die gibt es immer beim Bau, das ist nicht weiter ernst zu nehmen. Ein Mann kippt von der Leiter, ein anderer lässt sich was auf den Fuß fallen, ein dritter reißt sich einen Splitter ein, und der Finger eitert.«
»Und sonst nichts? Nichts, das absichtlich herbeigeführt sein konnte?«
»Nein«, sagte Santonix, »nein. Ich schwör’s Ihnen, nein!«
Ellie wandte sich an mich.
»Weißt du noch, Mike, diese Zigeunerin… Wie komisch die sich damals aufführte, als sie mich vor dem Platz hier warnte.«
»Die ist nur ein bisschen verdreht, nicht ganz richtig im Kopf.«
»Aber wir haben auf Gipsy’s Acre gebaut«, fuhr Ellie fort. »Wir haben genau das getan, wovor sie uns warnte.« Wütend stampfte sie mit dem Fuß auf. »Und ich lasse mich nicht wegjagen! Von niemand. Nie und nimmer!«
»Niemand soll uns verjagen«, versprach ich. »Wir werden hier glücklich sein.«
14
S o begann unser Leben auf Gipsy’s Acre. Wir fanden einfach keinen anderen Namen für das Haus; der erste Abend hatte uns auf Gipsy’s Acre festgelegt.
»Also nennen wir es Gipsy’s Acre« , trotzte Ellie. »Jetzt gerade. Es ist unser Land, und zur Hölle mit den Zigeunern!«
Schon am nächsten Tag war sie wieder sie selbst, froh und unbeschwert, und bald waren wir vollauf mit dem Einziehen beschäftigt, mit dem Erforschen der Umgebung und der Nachbarn. Ich machte mit Ellie einen
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