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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Leute da oben
denken, die Straße gehört ihnen, und sie rufen die Cops, wenn du zu nah an
ihren Einfahrten parkst. Außerdem gucken dich die Gäste an, als gehörtest du
zur Dienerschaft, und vergessen dein Trinkgeld. Das hier ist ein guter Job. Ich
habe vor, hier zu bleiben.«
    »Der andere Bursche sprach davon, daß
ein paar Helfer fehlen. Hat von denen einer die Kostakos oder Foster gekannt?«
    »Nee, die sind alle erst seit ein paar
Monaten hier. Keiner von uns arbeitet wirklich regelmäßig.«
    »Spricht man im Club noch über den
Mord?«
    »Manchmal. Hinter vorgehaltener Hand.«
    »Was wird dann geredet?«
    »Daß sie Foster reingelegt haben. Aber
seien wir ehrlich, keiner möchte jemanden kennen, der so etwas getan haben
könnte.«
    Der Rothaarige kam zurückgejoggt. Ein
neuer Wagen fuhr vor. Der Mann, mit dem ich gesprochen hatte, ging zum
Bordstein. Ich dankte beiden, daß sie sich Zeit für mich genommen hatten, und
marschierte los.
    Aus dem Nieseln war jetzt richtiger
Regen geworden. Die meisten Häuser an der South Park Avenue waren dunkel. Hier
und da drang etwas Licht durch die heruntergezogenen Jalousien oder gelben
Rouleaus. Mit dem Regen hatte auch der Wind wieder aufgefrischt. Er rüttelte an
den nackten Zweigen der Platanen, die den Park einfaßten. Ihre Blätter lagen
vermodert am Boden.
    Ich sah auf die Uhr und schauderte.
Donnerstag halb elf an einem regnerischen Winterabend. Vor knapp zwei Jahren
hatte sich Tracy Kostakos um etwa diese Uhrzeit und in genauso einer Nacht auf
den Weg in ein unbekanntes Schicksal gemacht. War sie wohl diese Straße
entlanggegangen, hatte sie die Regentropfen auf dem Kopf gespürt und sich auch
gewünscht, sie hätte einen Hut? Oder hatte sie sie gar nicht bemerkt, sondern
war zielbewußt vorangeschritten — und wenn ja, was war das für ein Ziel? Und
hatte Bobby Foster sie begleitet, oder hatte er die Wahrheit gesagt — daß sie
sich gestritten hatten und auseinandergegangen waren?
    Nicht zum erstenmal fürchtete ich, nicht
in der Lage zu sein, mich durch den dunklen Irrgarten zu tasten, der zwischen
dieser und jener längst vergangenen Nacht lag. Doch der Wunsch, Licht in die
Ereignisse von damals zu bringen, hatte in mir feste Wurzeln geschlagen. Es war
nicht nur ein Wunsch, es war die blanke Notwendigkeit — ging es doch um diesen
Mann, dessen Leben jetzt in meinen Händen lag.
     
     
     

7
     
    Georges Kostakos sagte: »Ist Ihnen
klar, was Sie damit anrichten, daß Sie diese Tragödie wieder aufrollen?«
    »Ich kann leider nicht über die Tatsache
hinwegsehen, daß damit möglicherweise das Leben eines jungen Mannes gerettet
wird.«
    Er verbarg das ansehnliche, kantige
Gesicht in den Händen, fuhr sich mit den Fingern durch das dichte, schwarze,
von eisgrauen Strähnen durchzogene Haar. »Mein Gott, ich weiß, es ist
unverantwortlich, daß ich meine eigenen Gefühle an die erste Stelle setze,
während der Junge da sitzt und auf seinen Tod wartet. Aber, verdammt noch mal,
wir alle haben Höllenqualen durchlitten. Ich möchte nicht, daß die Menschen, an
denen mir liegt, das noch einmal ertragen müssen. Und ganz sicher möchte auch
ich selbst es nicht noch einmal durchmachen.«
    Ich schwieg und ließ ihm Zeit, seine
Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Es war Freitagmorgen, elf Uhr. Wir saßen
im Wohnzimmer eines Hauses, das ihm ein Freund zur Verfügung gestellt hatte. Es
lag im Marina-Bezirk, direkt gegenüber dem Palace of Fine Arts. Durch das
Vorderfenster sah man auf die eisgraue, von windgekrümmten Zypressen gesäumte
Lagune. Dahinter verschwammen im Dunst die braune Kolonnade und die
kuppelbewehrte Rotunde — Überbleibsel der Ausstellung von 1915 zur feierlichen
Eröffnung des Panama-Kanals. Kostakos hatte mir erklärt, ein Freund, der
vorübergehend in Europa lebe, habe ihm im vergangenen Sommer nach der Trennung
von seiner Frau angeboten, das Haus zu bewohnen. Auch wenn er mir das nicht
erzählt hätte, hätte ich mir nicht vorstellen können, daß es ihm gehört, denn
es paßte ganz und gar nicht zu dem Mann, der mir da gegenübersaß.
    Das Haus hatte irgendwie etwas Schizoides.
Die Außenansicht glich mit ihrem mediterranen Stil der vieler anderer Häuser in
dieser ruhigen, wohlhabenden Gegend: weiß verputzt, schwarzes Schmiedeeisen und
dekorative Eiben um das Haus; vor dem Eingang der obligatorische Rasenfleck in
Briefmarkengröße; zweigeschossig, mit Garage unter dem Wohnzimmerfenster und
einer Eingangstür in Form eines maurischen

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