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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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zu
den Oberlichtern.
    »Das Südwest-Staaten-Zimmer?« fragte
ich.
    »Ja — und ein deutlicher Kontrast zum
nordpolaren Wohnzimmer.«
    Kostakos stieß eine Schwingtür auf, die
in die Küche führte. Sie war groß und hatte eine hohe Decke, wieder
Oberlichter, wieder gebleichtes Holz und wieder weiße Wände. Die Kahlheit wurde
gemildert durch Regale mit bunten Kochbüchern, viele Hängekörbe und große
Bündel mit getrocknetem roten Pfeffer. Unter dem Bugholztisch lag ein riesiger
schwarz-weißer Kuhfell-Vorleger.
    »Der Pfeffer und die Körbe vertreten
das Südwest-Staaten-Motiv«, sagte ich, »und der Vorleger, das ist Texas.«
    Kostakos lachte. »Dieses Haus leidet
unter einer enormen Identitätskrise. Unten gibt es ein Spielzimmer in reinstem
Hollywood-Kitsch. Das Schlafzimmer des Hausherrn, nichts als Elchfelle und
Geweihe — das Nordwest-Staaten-Thema. Die Gästezimmer sind im Südstaaten-Stil —
Blumendrucke, weiße Spitze, kleine Lavendelduftkissen. Wenn Sie da aufwachen,
dann erwarten Sie fast, daß gleich eine kleine Schwarze mit ihrem
Frühstückstablett hereingetrippelt kommt.«
    »Um Gottes willen, was ist denn der
Besitzer für ein Mensch?«
    »Ein sanfter, in der medizinischen
Forschung tätiger Mann. Aber ich habe den Verdacht, er hat eine sehr lebhafte
Phantasie.« Kostakos ging zu dem U-förmigen Arbeitsbereich am Ende der Küche.
»Was für einen Kaffee hätten Sie denn gern? Wir haben Bohnen aus Brasilien,
Zimbabwe, Kolumbien und eine schwarzgeröstete Plantagenmischung.«
    Es war mir unangenehm, ihm zu sagen,
daß für mich Kaffee einfach nur Kaffee war, trotz aller Versuche, mich auf
diesem Gebiet fortzubilden.
    Kostakos grinste über mein verwirrtes
Schweigen. »Mir ist es auch egal. Für mich ist ein Kaffee gut, wenn er stark
ist und trinkbar. Ich habe mich immer an den schwarzgerösteten gehalten, denn
den scheint es noch kistenweise im Vorratsraum zu geben.« Er befaßte sich mit
Kaffeemühle und Bohnen.
    Ich setzte mich an den Tisch und bückte
mich, um über das rauhe Kuhfell zu streichen. »Zu Ihren
Persönlichkeitsklassifizierungen — zu welcher Gruppe gehören Sie denn?«
    Ohne Zögern antwortete er: »Ich gehöre
zu den Intellektuellen.«
    »Paßt, wenn man bedenkt, daß Sie
Professor sind.«
    »Sie würden staunen, wie häufig die
Gruppe eines Menschen nichts mit seinem Beruf zu tun hat. Aber ich muß
gestehen, mit gefällt meine Gruppe. Wir haben eine gute Auffassungsgabe, sind
analytisch veranlagt und bringen sehr innovative Ideen hervor. Manche von uns
haben den Genie-Level erreicht. Freud, zum Beispiel.« Er schaltete die
Kaffeemaschine ein und sah mich an. »Natürlich gibt es auch Leute, die
behaupten, Hitler könnte ebenfalls zu uns gehört haben.«
    »Nicht gerade ermutigend. Ich frage
mich, zu welcher Gruppe ich wohl gehöre.«
    Er holte Kaffeebecher und stellte sie
auf den Tisch. Selbst die Becher in diesem Haus waren etwas Besonderes: Der
eine zeigte eine Karikatur von Richard Nixon mit Sprungschanzen-Nase und allem
Zubehör, auf dem anderen prangte Jimmy Carter mit breitem, weißem
Zähnestrahlen.
    Kostakos sah mich gedankenvoll an. »Ich
müßte Sie eigentlich um einiges besser kennen, um eine sichere Aussage machen
zu können, aber wenn ich es aufs Geratewohl sagen soll und von meinem Eindruck
und Ihrem Beruf ausgehe, dann würde ich sagen, Sie gehören in dieselbe Gruppe
wie ich.«
    »Ach, kommen Sie! Ich bin doch keine
Intellektuelle.«
    »Das ist nur ein bequemes Etikett. Sie
sind gerade heraus und zeigen analytische Anlagen. Sie denken nach, bevor Sie
etwas sagen, formulieren präzise. In Ihrem Geschäft brauchen Sie Logik und
Auffassungsgabe. Ich vermute auch, daß Sie etwas haben, das wir in unserem
Psychologen-Jargon ›das dritte Ohr‹ nennen — die Fähigkeit, hinter dem, was
jemand sagt, das zu hören, was er wirklich meint. Sie haben intuitive und
emotionale Fähigkeiten. Sie lassen es nur nicht zu, daß sie Ihnen im Wege
stehen.«
    Was er da sagte, ließ mich wie eine
rechte lautere Person erscheinen. Ich sonnte mich in seinen Schmeicheleien,
während er nach der Kaffeekanne griff.
    »Natürlich«, setzte er beim Einschenken
hinzu, »gibt es in unserer Gruppe auch die andere Seite, wie ich das schon mit
Hitler andeutete. Wir neigen dazu, mit unseren Ideen unflexibel zu werden. Wir
entwickeln Theorien und wollen uns nicht mehr von ihnen lösen. So können wir zu
Extremisten werden.« Er stellte die Kaffeekanne auf die Warmhalteplatte zurück
und setzte

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