Mord ohne Leiche
ein
Gespräch mit Kathy zu arrangieren. Er sagte, er wisse nicht, wie stark sein
Einfluß bei den Sorianos derzeit noch sei, aber er werde sich bemühen.
Zu guter Letzt landete ich im Remedy
und wälzte dort meine Ideen mit Jack und Rae. Schließlich war ich zwar um ein
paar Dollar ärmer (Rae war so pleite, daß Jack und ich abwechselnd ihr Bier
bezahlten mußten) aber genauso durcheinander wie zuvor. Wieder zu Hause, kam
mir mein Bett zu kalt, zu groß und zu verlassen vor. Ich brauchte lange, um
einzuschlafen, und als der Bauunternehmer am nächsten Morgen um acht Uhr vor
der Tür stand und mit der Arbeit beginnen wollte, war ich noch gar nicht
richtig ansprechbar. Kein guter Start in den Tag.
Und dann den ganzen Morgen noch kein
Wort von George. Larkey hatte noch nicht wegen der Verabredung mit Kathy
Soriano angerufen. Keine von Raes Nachforschungen war von Erfolg gekrönt. Meine
Stimmung sank so rapide, daß sie bei dem Tempo schon mittags im Keller sein
mußte.
Als das Telefon läutete, schnappte ich
nach dem Hörer und bekam nur ein Krächzen heraus.
Larkey fragte: »Was ist los — haben Sie
sich erkältet?«
»Oh, Jay, hallo. Nein — nur einen
Frosch im Hals.«
»Die gehören besser in den Teich. Hören
Sie, ich habe mit Kathy gesprochen. Sie ist bereit, mit Ihnen zu reden, wenn
Sie gegen Mittag bei ihr in Tiburón sein können.«
»Mittags in Tiburón. Kein Problem.
Welche Adresse?« Ich kritzelte sie auf einen Zettel, bedankte mich für seine
Hilfe und verließ mein Büro, beflügelt wie ein Kind zu Beginn der Ferien.
Kathy Soriano sah an dem Tag nicht
besonders gut aus. Zwar war sie frisch geschminkt, doch unter der braunen
Schicht war ihre Blässe zu sehen. Das teure Wildlederhemd hatte einen
Fettfleck, und die Lederstiefel waren stellenweise abgescheuert. Ihre Hände
zitterten, als habe sie einen Kater, und ihre Begrüßung fiel gedämpft aus.
Ich bekam regelrecht Mitleid mit ihr,
obwohl doch in der Einfahrt ihres aus Rotholz und viel Glas bestehenden Hauses
hoch über der Bucht eine Jaguar-Limousine stand. Von ihren Fenstern aus mochte
sie einen Blick auf Angel Island und auf Hügel voller Pinien haben, und ihr
Wohnzimmer war sicher voll von Bronzeskulpturen und Imari-Porzellan. Aber ich
dachte an das, was Larkey über die Sorianos und ihre Gläubiger gesagt hatte.
Und mir fiel Tracys brutal offene Beschreibung Kathys als einer Frau ein, die
sprang, wenn ein Mächtiger nur mit den Fingern schnippte, und die es für
notwendig hielt, ihren Mann mit dem stahlharten Blick zu betrügen. Kathy
bewegte sich und sprach wie eine nervöse, unglückliche Frau. Sie machte den
Eindruck, als wäre sie in dem großen Haus auf mitleiderregende Weise allein.
Und wenn man an die Art dachte, die sie Vertreterinnen ihres eigenen
Geschlechts gegenüber an den Tag legte, dann gab es für sie wahrscheinlich
nicht einmal eine weibliche Schulter, an der sie sich ausweinen konnte.
Sie wies mir einen Platz vor einem
Glasfenster an, mit Blick auf einen richtiggehenden Wald, und bot mir ein Glas
Wein an, das ich annahm. Als sie von der Hausbar zurückkehrte, fiel mir auf,
daß ihr Drink um einige Prozente stärker war als Wein. Sie trank ihn in einem
Zug halb aus, und nach und nach kehrte Farbe in ihr Gesicht zurück.
»Es tut mir leid, daß ich gestern abend
so abrupt vor Ihnen weggelaufen bin«, sagte sie im Tonfall eines kleinen
Mädchens, dem die Eltern gesagt haben, es solle sich entschuldigen. »Mir ging
es nicht gut, und ich mußte nach Hause.«
»Das tut mir leid. Ich hoffe, es war
nichts Ernstes.«
Sie zuckte mit den Schultern und sah
weg. Das kleine Mädchen hatte seine höfliche Notlüge hinter sich, wollte nun
aber nicht mit näheren Ausführungen dazu belästigt werden.
»Danke, daß Sie sich Zeit für mich
genommen haben«, fügte ich hinzu. »Ich nehme an, Jay hat Ihnen schon erzählt,
daß die Leiche, die ich für die von Tracy Kostakos gehalten habe, in
Wirklichkeit die von Lisa McIntyre war.«
Sie nickte.
»Ich möchte herausbekommen, wann Lisa
zum Napa River hinaufgefahren ist und warum. Jay sagt, Sie und Rob hätten sie
in der Nacht nach Hause gefahren, in der Sie alle sie zum letztenmal gesehen
haben.«
»Ja, das ist richtig. Es hat damals
ziemlich heftig geregnet, darum haben wir sie bis vors Haus gebracht.«
»Ich habe ebenso gehört, daß Sie auf
Jays Bitte in der Woche darauf noch einmal zu ihrem Apartment gefahren sind und
die Hausmeisterin Ihnen gesagt hat, sie sei
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