Mord und Brand
im Kaffee…« Schlürfend antwortete er:
»Aber ich bitte Sie! Das bisserl Kognak… Das ist gut gegen Verkühlung. Bei dem grauslichen Wetter da draußen stärkt das die Abwehrkräfte. Ich sorge mich halt um Ihr Wohlergehen…«
Dabei legte er wie zufällig eine Hand auf ihren mit einer Stiefelette bekleideten Fuß. Sie genoss sichtlich das heiße Getränk, bat ihn um noch etwas Schlagobers sowie schließlich um einen Löffel, mit dem sie das restliche Obers aus der Kaffeeschale löffelte. Diese reichte sie ihm dann wortlos, ließ sich mit einem zufriedenen Seufzer zurück auf den Diwan fallen und schloss die Augen. Vorsichtig streichelte seine Hand ihr Schienbein entlang, und da sie keinerlei abwehrende Bewegungen machte, erreichte seine Hand bald ihr Knie sowie kurz darauf das nackte, heiße Fleisch oberhalb ihrer Strümpfe. Sie seufzte erneut und breitete die Arme aus. Diese einladende Geste verwandelte Oprschalek, dieses versoffene, lendenlahme Subjekt, in einen lustbesessenen Faun. Und er spürte plötzlich, wie die Kraft des Frühlings in ihm aufkeimte…
Heftig läutete die Klingel des Portierpults. Oprschalek und die junge Frau schreckten aus ihrem postkoitalen Nickerchen auf. Sie deutete ihm, still zu sein, stand auf, richtete sich ihre recht ramponierte Kleidung und ging durch die Schwingtür hinaus. Gleich darauf hörte er Budkas Stimme, die ungewöhnlich fröhlich klang:
»Na, Fräulein Bozena, hamma die Sperrstunde verschlafen? Es ist schon 40 Minuten nach 10 Uhr und die Hoteltür ist noch immer nicht verschlossen. Ich sag’s Ihnen nur… damit S’ keinen Ärger mit dem Chef kriegen.«
»Dank recht schön, Herr Budka. Wollen S’ morgen früh geweckt werden?«
»Das ist nicht nötig. Ich sag’ immer: Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf. Darum steh ich auch net früher auf, als ich muss. Wünsche eine gesegnete Nachtruhe…«
Seine Schritte entfernten sich. Als Nächstes hörte Oprschalek, wie die Hoteltür zugesperrt wurde. Schließlich kam Bozena zurück. Sie kuschelte sich an ihn, rollte sich wie eine junge Katze ein und schlief sofort weiter.
Mit schmerzendem Kreuz wachte er auf. Kein Wunder, schließlich lag er völlig verdreht auf dem Diwan. Allerdings allein. Er setzte sich auf, gähnte, glättete mit der Hand notdürftig seinen Anzug und sein Haar. Vom Boden hob er Mantel und Hut auf. Danach öffnete er die Schwingtür einen Spalt und lugte vorsichtig in die menschenleere Portiersloge und Hotelhalle. Er ging hinaus und betätigte die Klingel. Aus dem ersten Stock hörte er Bozenas Stimme:
»Momenterl, bitteschen! Komme gleich!«
Als sie schließlich die Hoteltreppe heruntergeeilt kam, dachte er: ›Was für ein fesches Weib…‹. Mit nervös klimpernden Augenlidern und seltsam steifer Haltung sagte sie:
»Wünsche schenen guten Morgen, der Herr!«
Oprschalek musste schmunzeln. Galant nahm er ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf, zog sie dann mit einem Ruck an sich und küsste sie auf den Mund. Er spürte, wie ihr Körper ganz weich in seinen Armen wurde und hörte sie flüstern:
»Net jetzt! Chef oder Gäste können kommen.«
Er ließ sie los, strich sich über den Schnurrbart und fragte:
»Liebe Bozena, darf ich dich mit einem Morgenkaffee verwöhnen? Was darf’s denn sein? Eine Melange 52 oder ein Kapuziner 53 ? Mehr hell oder mehr dunkel?«
Sie strahlte ihn an und sagte leise:
»Gibt’s auch Kaffee verkehrt 54 ?«
»Na, das wird sich doch machen lassen, denk ich. Also: Ich bin nebenan im Café und wart’ dort auf den Budka. Wenn du ihm bitte dieses Zetterl mit einer Nachricht unter seiner Zimmertür durchstecken lasst. Und was den Kaffee betrifft: Den bringt dir gleich der Piccolo. Ja… und das Kaffeegeschirr von gestern wird er bei dieser Gelegenheit auch gleich mitnehmen…«
»Psst! Net so laut. Chef hört sonst.«
Oprschalek gab ihr ein Busserl auf die Wange und verschwand. Im Kaffeehaus nebenan wurde er vom Piccolo mit einem fröhlichen »Guten Morgen, Gnä’ Herr!« begrüßt. Er winkte ihn zu sich und instruierte ihn bezüglich des ›Kaffees verkehrt‹. Für sich bestellte er einen doppelten Mokka, zwei Butterbrote sowie gebratenen Schinken mit drei Eiern. Nun griff er nach einer Zeitung und setzte sich an einen Tisch, von wo aus er den gesamten Radetzkyplatz überblicken konnte. Verträumt betrachtete er das rege Treiben. Und als er das Frühstück serviert bekam, machte er sich mit einem wahren Bärenhunger darüber her. Danach blätterte
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