Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
wirklich etwas von Miranda gesagt. Dass er gezwungen sei, sich jetzt zu entscheiden. Dass er es leid sei.
›Keine Illusion‹, hat er gesagt. Kann er das gesagt haben. Keine Illusion?«
Anna war an der Haustür. »Wir müssen Fredrik finden«, sagte sie. »Vielleicht weißt du ja besser als ich, wo wir suchen müssen.«
KAPITEL 21
B öse Augen. Schleimige Lippen. Sich windende Schlangen. Moor, Erde, Duft von Tannennadeln. Und die Worte eines alten Mannes. Danke für das, was ihr getan habt. Danke, dass ihr meiner Anna über den Abgrund geholfen habt. Auf die andere Seite. Jetzt ist sie frei. Ich bin frei. Meine Dankbarkeit wird bis ans Ende der Zeit dauern.
Das Ende der Zeit.
Fragen. Sie ist also tot. Seit einigen Tagen. Die Überraschung im Gesicht des Mannes. Wussten Sie das nicht? Ich wagte nicht zu glauben, dass Sie es tun würden. Dass Sie es könnten. Zahlen. Natürlich. Trauer, sicherlich. Der Tod ist abschließend. Die Trauer ebenfalls. Aber nicht das Leiden. Das Leiden setzt sich in alle Unendlichkeit fort. Jetzt hat ihre Unendlichkeit ein Ende gefunden.
Der Schrecken.
Weitere Fragen. Wie kann ich nur fragen? Wie kann ich so tun, als sei ich normal? Würmer unter der Haut. Eine verletzte Seele. Schuld. Du hast die Kaninchen nicht retten können. Du hast Anna Danelius nicht retten können. Du hast geglaubt, du könntest Michaels Bitte um einen weiteren Mord ignorieren. Grauenvoll, aber durchaus durchführbar. Abwehren und fliehen. Wie naiv. Jetzt sind zwei Menschen gestorben. Wird ein dritter sterben?
Das muss ich verhindern.
Zahlen. Kaiman-Inseln. Ein Konto. Lachen. Eine ausgestreckte Hand. Ein Gewehr. Die Flucht. Dank. Komm zurück. Muss … einfach … weg. Ciao. Eine geschlossene Tür.
Schweigen. Nur das Echo von Schritten. Seine eigenen. Auf dem Bürgersteig. Ein Mann auf der Flucht. Ein Mann?
Während Fredrik rannte, spürte er die pochenden Worte in sich, als seien sie blutgefüllt. Als sei jedes Wort sein eigenes Herz, das leise pochend die Wahrheit preisgab. Danke. Dass. Ihr. Meiner. Frau. Halft. Und vorher noch Michael. Liquidiere Herrn Ahlenius. Das Fata Morgana besitzen. Wie kann man nur eine Illusion besitzen. Eine. Illusion.
Er hatte sofort Mari angerufen. Das war wie ein Reflex gewesen, nichts, was etwas mit Logik zu tun gehabt hatte. Ihre Stimme hatte ausgereicht, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Gerade noch rechtzeitig hatte er das Geständnis zurückgehalten. Aber sie hatte erfahren, was geschehen war. Sie würde es Anna mitteilen. Sie würden es erfahren.
Alle würden es erfahren.
Er sah hoch, sah das graue Wasser bei Slussen an die Kaimauer schlagen und realisierte, dass er hierher auf dem Weg gewesen war. Zur Illusion. Trotzdem wollte er nicht. Er wollte nicht ins Fata Morgana. Er wollte nicht zu ihm. Zu ihr. Zu Miranda. Er wollte in die Wirklichkeit.
Bei diesem Gedanken hielt er inne. Er zog rasch sein Handy aus der Tasche und wählte. Er hatte das Gefühl, sein schwarzer Hemdkragen würde am Hals scheuern. Kalte Panik. Die Sonne ist weg. Das Herz der Dunkelheit. Michaels Stimme.
»Hallo, Fredrik? Kommst du?«
Seine Frage, undeutlich wie die eines kleinen Jungen. Lieber Papa. Bitte.
»Natürlich kannst du die bekommen. Nicht dass ich jedem x-Beliebigen die Adresse meiner Tochter geben würde. Aber zufälligerweise ist es so, dass sie mich recht bald nach unserem Besuch um deine Telefonnummer gebeten hat. Sie wollte
auch noch so einige andere Dinge wissen, und ich habe ihr erzählt, was du auch gerne selbst über dich gehört hättest. Ich mag dich sehr, Fredrik, das weißt du. Meine Tochter liebe ich bis zum Wahnsinn. Hier hast du ihre Adresse. Du weißt auch, was ich mir für einen Ausgang wünsche.«
Er versuchte den Namen der Straße zu behalten, indem er ihn sich immer wieder vorsagte. Nach einer Weile kreiste es mit den anderen Worten in seinem Kopf, und er hätte fast zu spät den Arm gehoben, um das Taxi anzuhalten, das an ihm vorbeiraste. Vorbeiflog. Nein, vorbeihoppelte. Wie ein Kaninchen.
Erst als er im Taxi saß, kamen die Tränen. Er wusste nicht, ob es dem Taxifahrer auffiel oder ob es ihn kümmerte. Es war ihm gleichgültig. In verzweifelter Trauer über alles schlug er die Hände vors Gesicht und weinte in wortloser Panik, bis er vollkommen leer war. Dann wischte er sich rasch die Tränen aus dem Gesicht und vermutete, dass er erbärmlich anzusehen sein würde, wenn ihm Stella die Tür öffnete. Dann sah er ein, dass das sein erster
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