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Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Ernestam
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lachen.
    »Die Finger sind meine Augen. Mein Gesang und meine Musik sind alles, was mir geblieben ist. Aber Bitterkeit ist wie gesagt ein nutzloses Gefühl. Trauer eigentlich auch. Führt zu nichts. Wie eine Melodie ohne einen schönen Schlussakkord.«
    Mari wollte aufspringen und schreien. Das Zimmer verlassen. Aber das war unmöglich. Sie verfing sich in den Tönen, ließ sich von der Melodie mitreißen. Die verdammte Michelle André hatte ein Stück ausgesucht, das all das ausdrückte, was sie empfand. Nach einer Weile wurde sie von hemmungslosen Schluchzern geschüttelt. Anna umarmte sie von hinten und versuchte sie zu beruhigen.
    Michelle André blieb sitzen und ließ den Schlussakkord ausklingen.
    »Ich zeigen Ihnen Ihr Zimmer«, sagte sie dann. »Sie können in Fredriks altem Zimmer schlafen. Ich habe mir dabei helfen lassen, dort ein Extrabett aufzustellen. Vielleicht wollen Sie
sich nach der Reise ja frisch machen oder einen Spaziergang unternehmen. Nicht dass ich so erpicht darauf bin, mich in die Kälte zu begeben, aber für jemanden, der nicht hier wohnt, ist das vielleicht verlockend. Anschließend möchte ich Sie gerne zum Abendessen bitten. Bis zum nächsten Restaurant ist es ein gutes Stück, und für ein richtig gutes Lokal muss man schon eine Reise unternehmen. Nach Stockholm oder warum nicht gleich nach Paris?«
    Sie erhob sich und ging mit denselben beherrschten und konzentrierten Schritten wie vorher auf eine der geschlossenen Türen zu und öffnete sie. Dann trat sie beiseite. Anna entschuldigte sich und verschwand im Badezimmer. Mari trat ein.
    Das Zimmer war nicht groß, wirkte sauber, sah aber aus wie aus einer anderen Zeit. Das Bett war sauber bezogen, im Regal standen zerlesene Kinder- und Jugendbücher neben oft geherzten Teddybären, anständig gekleidete Puppen, Spieldosen, Puzzles und Malsachen. Die einst gelben Gardinen waren so verblichen, dass sie fast weiß aussahen. Nur das Extrabett war neu und mit weißer, bestickter Bettwäsche bezogen. Die Handtücher, die auf den Kissen lagen, waren gebügelt und trugen das Monogramm M.A. Vorsichtig ging sie auf das Bett zu, das einmal Fredrik gehört haben musste, und strich mit der Hand über die Decke. Wie ein Echo hörte sie Michelle Andrés Stimme.
    »Sie fragen sich sicher, warum ich Ihnen das alles erzählt habe. Ich habe gesagt, das sei der Versuch einer Erklärung gewesen. Aber reicht das? Sie fragen sich sicher auch, warum ich Sie nicht nach Fredrik frage. Nach seiner Arbeit, seinem Leben und seinen Freunden. Danach, was er in den letzten Jahren getan hat. Wen er kennengelernt hat. Was Sie von ihm gehalten haben. Ob Sie sich seinen Selbstmord erklären können. Die Vergangenheit liefert mir einige Stücke des Puzzles. Sie besitzen vielleicht die übrigen.«

    Mari betrachtete das schöne Haar, die geschwungenen Brauen und den Mund, der Fredriks ganz ähnlich war. Sie wurde sich des Umstandes bewusst, dass sie im Unterschied zu Fredriks Mutter vollkommen verheult aussah.
    »Sie sagen, Sie wollen, dass wir es verstehen. Aber ist es nicht eher so, dass Sie wollen, dass wir etwas verzeihen?«
    Michelle Andrés Lächeln war kaum mehr als eine leichte Krümmung der Oberlippe. Ihre leeren Augen sahen direkt durch sie hindurch und verfingen sich in ihren Gedanken wie eine Gewehrkugel.
    »Das Abendessen wird um sieben serviert. Ich hoffe, das ist Ihnen recht«, erwiderte sie und verließ das Zimmer. Wenig später hörte Mari wieder Klavierspiel und Gesang. Edith Piaf. Hymne à l’amour. Eine dunkle Huldigung der Liebe. Sie trat auf das Bücherregal zu und strich mit der Hand über die Märchen von Rittern und Prinzessinnen. Dann setzte sie sich auf Fredriks Bett. Fredrik war tot. Aber vielleicht war er ja gar nicht bei einem Autounfall gestorben. Vielleicht war er schon hier gestorben, umgeben von Menschen, die nicht hatten sehen wollen, dass eine Seele zu Staub und Asche zerborsten war. Die Ascheflocken waren dann vom Wind davongetragen worden, ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, die sterblichen Reste aufzusammeln.

KAPITEL 24
    M ari lag unter einer weichen Daunendecke. Mit den Augen folgte sie der Maserung des Holzes an der Decke. Fredrik hatte diese zufälligen Linien jahrelang betrachtet. Wenn sie das Bett mit ihm teilte, dann nur so wie jetzt. Er war damals nicht zu ihr nach Hause gekommen. Für alles war es immer zu spät.
    Neben sich hörte sie Annas Atemzüge und wusste, dass sie an das hervorragende Abendessen dachte,

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