Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
schwer, ernst zu bleiben. Dann riss sie sich jedoch zusammen und erzählte von
Kleopatras Kamm und ihrer Geschäftsidee, die Probleme anderer Leute zu lösen. Fanditha hörte ihr mit einer hochgezogenen Augenbraue zu.
»Willst du jetzt noch auf deine alten Tage ins Projektmanagement einsteigen, Mama? Das hätte ich dir niemals zugetraut. Mit anderen zusammenarbeiten und Begonnenes tatsächlich bis zum Ende durchziehen. Aber es heißt ja schließlich auch, dass es nie zu spät ist. Ich hätte nie geglaubt, dass du in der Lage wärst, dich irgendwelchen gängigen Normen zu unterwerfen.«
»Ich hatte mehr Jobs, als du dir vorstellen kannst, und ich habe überlebt. Wenn meine Art dir nicht passt, akzeptiere ich das. Leb du, wie es dir gefällt. Aber ich erwarte, dass du mir gegenüber genauso tolerant bist.«
Ihre Stimme war eisiger, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte. Sie öffnete den Mund, um ihre Worte zurückzunehmen, aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Fandithas Wangen röteten sich genau so wie damals, als sie auf dem Hausboot eine Party veranstaltet hatten und Greg eine Feder zwischen seine Pobacken gesteckt und den Regentanz getanzt hatte. Es hatte keine Rolle gespielt, dass allen, einschließlich aller anwesenden Kinder, Gregs Vorstellung gefiel und dass sie ihn anschließend dauernd um eine Wiederholung baten. Für Fanditha war das nur ein weiterer Beweis dafür, dass sie die falschen Eltern hatte und ein Leben führen musste, für das sie sich nicht eignete, und dass das alles, obwohl Greg getanzt hatte, nur Annas Schuld war.
»Toleranz.« Fanditha lachte auf. »Ja, wenn du es so willst … Wenn man so lebt wie du, dann ist das vermutlich das Einzige, was man von seinen Mitmenschen verlangen kann. Toleranz.«
»Wie meinst du das?«
Fanditha beugte sich über den Tisch. Sie trug eine schlichte, weiße Bluse und eine schmale goldene Kette mit einem herzförmigen
Anhänger. Anna betrachtete den Schmuck, der sehr wie Kinderschmuck aussah, als ihr aufging, dass es ihr eigener war, den sie einmal von ihrem Vater bekommen und ihrer Tochter zum zehnten Geburtstag geschenkt hatte. Diese Erkenntnis veranlasste sie beinahe dazu, die Flasche Wein aus dem Schrank zu holen und sich ein Glas einzugießen, egal was Fanditha sagen mochte. Schlimmer konnte es kaum noch werden. Fanditha begann zu sprechen, erst mit unterdrückter Wut, dann immer unbeherrschter.
»Hast du dir je überlegt, wie es ist, die Tochter von jemandem wie dir zu sein? Einer Person, die sagt und tut, was ihr gerade einfällt, die irgendwelche Kleider anzieht, sich auch schon mal nicht wäscht, wenn es sich gerade so ergibt, und der sämtliche Regeln vollkommen gleichgültig sind? Einer Mutter, die alles tut, was eigentlich Kinder tun, sich schmutzig macht, gegen Regeln verstößt oder aus heiterem Himmel zu schreien anzufängt. Eine Person, die für alles, was sie tut, unglaublich bewundert wird. Ich hatte keine Chance, Mama! Eigentlich wollte ich so sein wie du. Klar, das kann ich durchaus zugeben. Du bist wie jede gefährliche Droge, die man sich zwar vorstellen kann, aber nie probieren würde, obwohl du das sicher getan hast … aber das ist es ja gerade. Was hat es für einen Sinn, zu rauchen, zu saufen, sich anders zu kleiden oder die Schule zu schwänzen, wenn man eine Mutter hat, die vermutlich noch Beifall klatscht. Wenn ich das alles getan hätte? Warum hätte ich dann …«
»Ich nehme keine Drogen, Fandi … Fanny. Ich rauche nicht. Ich trinke ab und zu mal ein Glas, das muss ich zugeben, aber ich trinke guten Wein und mäßig und genieße es. Soweit ich weiß, hast du nie eine betrunkene Mutter zu Bett bringen müssen. Ich bin eine Anhängerin der Enthaltsamkeit, und damit meine ich, dass ich mit einem guten Gewissen leben will. Ich habe nie jemanden ausgenützt. Ich habe nie gestohlen, betrogen oder geheuchelt. Ich bin meinen Weg gegangen, und
es würde mir nie einfallen, dich zu etwas zu zwingen, was du nicht willst oder womit du dich nicht wohlfühlst. Ich wollte nur, dass du deinen eigenen Weg findest. Ich will, dass du glücklich bist. Deswegen bin ich …«
Anna verstummte. Sie war sich ihrer Worte nicht mehr sicher. Deswegen bin ich auch zurückgekommen, hatte sie sagen wollen, es sich dann aber anders überlegt. Sie hatte nie anderen die Schuld geben wollen, wie ihre Mutter das – mit Gott als Rückendeckung – immer getan hatte. Man hatte sich schämen können. Mama pflegte mit ihrer salbungsvollen
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