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Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Ernestam
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Stimme von den Unzulänglichkeiten der anderen zu sprechen und zwar hinter deren Rücken. Mama war es immer gelungen, den anderen das Gefühl zu geben, daran schuld zu sein, dass sie es so schwer hatte. Nein, so durfte sie nie werden, wie verlockend das auch manchmal war. Der Umzug nach Stockholm war in vielem Fandithas wegen erfolgt, aber sie selbst, Anna, hatte den Entschluss gefasst. Fanditha war unschluldig.
    »Wie willst du denn sein?«, fragte sie vorsichtig. »Du weißt, dass du meiner Ansicht nach sein darfst, wie du willst, solange du nur glücklich bist. Bei dir klingt das zwar alles fürchterlich negativ, aber ich kann das unmöglich so sehen. Ich finde, dass jeder Mensch das Recht hat, so zu leben, wie er oder sie will, ohne dass ihn jemand daran hindert oder darüber urteilt. Solange man seinen Mitmenschen mit Respekt begegnet natürlich nur und nicht auf ihre Kosten lebt. Was willst du denn, Fanditha?«
    Sie meinte, was sie sagte. Sie wollte es wissen. Fanditha legte vorsichtig ihr Butterbrot auf den Teller zurück.
    »Ich will normal sein«, erwiderte sie. »Ich will eigentlich nur normal sein. Du findest sicher, dass es nichts Schlimmeres gibt, als so zu sein wie alle anderen. Aber ich will nicht zu begabt, zu schön, zu bewundert oder zu erfolgreich sein. Es genügt mir, ein ganz normaler Mensch zu sein, der keinerlei Aufmerksamkeit erregt. Ich will eine ganz normale Arbeit haben,
mit der ich gut zurechtkomme, ich will eine normale Familie mit Mann und Kindern. Für mich genügt ein normales Haus in einer normalen Stadt. Und weißt du, warum, Mama? Weil ich nicht allein sein will. Ich will mit ganz normalen Freunden in ganz normalen Cafés sitzen und mich über ganz normale Probleme unterhalten. Denn wenn man nicht normal ist, dann hat man keine normalen Probleme, Mama, und wenn man keine normalen Probleme hat, dann hat man keine normalen Freunde. Menschen wie du … alle erfolgreichen Menschen sagen, dass sie einsamer werden, je mehr Erfolg sie haben. So will ich nicht werden!«
    Anna hatte wieder das Gefühl, dass der Abend nicht so verlief, wie sie es erwartet hatte. Die bizarren Worte ihrer Tochter brachten sie beinahe zum Lächeln, aber sie konnte sich gerade noch einmal beherrschen. Sie war sich bewusst, dass ein Lächeln Fanditha mehr verletzt hätte als alles andere.
    »Normal? Aber Fanny, du bist doch noch so jung …«
    »Und?« Fanditha sah hoch, und Anna bemerkte, wie sich die Schattierung ihrer braunen Augen veränderte. Sie dachte, dass dieses Muster eine fantastische Dekoration für eine Schokoladentorte abgeben würde, als sie plötzlich realisierte, was sie da eigentlich dachte. Ihre Tochter wollte normal sein, und sie träumte von Dekorationen aus Schokolade.
    »Und …«, begann Fanditha erneut, »… ich habe alle Möglichkeiten, über mein Leben zu entscheiden. Ich weiß, was ich will. Ich will Freunde haben, wie du sie nie besessen hast, und ich …«
    »Ich habe Mari und Fredrik.«
    »Ja, du hast Mari und Fredrik. Und außerdem?«
    Greg, dachte Anna und nahm schließlich die Flasche Wein aus dem Schrank, weil sie sich nicht länger beherrschen konnte, und goss sich ein Glas ein. Fanditha sah sie erst verächtlich an, holte sich dann aber zu Annas Erstaunen ein eigenes Glas und füllte es zur Hälfte. Sie hob ihr Glas.

    »Ein Skål auf die Mittelmäßigkeit, Mama.«
    »Bist du deswegen gekommen? Um mir zu erzählen, dass du ein ganz durchschnittlicher Mensch werden willst? Wie ich es nie gewesen bin?«
    »Nein, darum ging es mir in der Tat nicht. Ich bin gekommen, um dir zu erzählen, dass ich ein paar Monate lang bei Papa wohnen will. Ich schreibe einen Aufsatz, in dem ich die holländische und die schwedische Wirtschaft vergleiche. In Amsterdam will ich mir die Quellen anschauen. Papa sagt, dass ich von ihm aus sehr gerne auf seinem Boot wohnen darf. Ich glaube zwar nicht, dass ich länger dort bleibe, aber vielleicht eine Weile. Ich fand, dass du das wissen solltest.«
    Den Rest des Abends hätten sie genauso gut gleich abschreiben können. Anna versuchte Fanditha über den Inhalt des Aufsatzes auszufragen, und während Fanditha eher widerwillig erzählte, wie wichtig bilaterale Vereinbarungen für kleine Länder seien, tauchten in Annas Kopf mentale Diabilder auf. Unbarmherzig klickten sie weiter, bis sie hätte schreien können. Greg beim Scheuern des Decks, Greg, der sich ihr lachend zuwandte, Greg mit einer Muschel um den Hals, Greg mit Fanditha auf dem Arm, als sie noch

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