Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
dass er etwas von sich preisgegeben hatte. Stella lächelte erneut.
»Das bedeutet also, dass ich die Unterhaltung bestreiten muss, solange ihr hier seid. Fantastische Aussichten, wenn ich schon mal Besuch bekomme. Wollen wir reingehen?«
Sie rollte mit ihrem Rollstuhl über den Rasen. Fredrik erwog, ihr zu helfen, wagte es dann aber nicht. Schließlich wollte er ihre Fähigkeit, allein zurechtzukommen, nicht in Frage stellen. Ihm fiel auf, dass sie sich ziemlich anstrengen musste, um einige Unebenheiten zu überwinden. Einmal fluchte sie leise, aber dann erreichte sie ohne größere Schwierigkeiten die Rampe und über diese die Haustür. Dort wartete Michael bereits. Offenbar hatte er die ganze Zeit dort gestanden und sie betrachtet. Michael beugte sich zu seiner Tochter herunter und küsste sie auf die Wange. Dann rollte Stella zur Tür und stieß sie auf. Sie drehte den Kopf zu Fredrik um.
»Ich schließe nie ab, wenn ich im Garten bin. Das ist einer der Vorteile mit einer Behinderung, man kümmert sich nicht mehr so sehr um irgendwelche Regeln und wird ein mutigerer Mensch. Man muss im Kopf beweglich bleiben, wenn die Beine nicht mehr wollen.«
Das sagte sie, während sie ins Haus rollte, nachdem Michael ihr die Reifen mit einem Lappen abgewischt hatte. Fredrik folgte ihr. So altmodisch das Haus von außen gewirkt hatte, so modern war sein Inneres. Etliche Wände waren entfernt worden, vermutlich um Stella die Fortbewegung im Rollstuhl zu erleichtern. Der helle Holzboden erweckte einen geräumigen Eindruck, obwohl das Haus nicht sonderlich groß war.
Die Diele, in der sie standen, war in Weiß, Grau und Blau gehalten, und als Fredrik Stella ins Wohnzimmer folgte, sah er, dass sich nur die bunten Gemälde von dem neutralen Ambiente abhoben. Das Sofa war weiß, der Couchtisch hatte eine Platte aus einem hellen Stein, die Küche war in Brauntönen gehalten, und auf der Spüle leuchtete eine Schale mit Zitronen.
Inzwischen war Stella in die Küche gerollt, und er folgte ihr, nachdem er seine Jacke über eine Stuhllehne gehängt hatte. Stella stellte Wasser auf und nahm Tassen und Teller aus einem niedrigen Schrank.
»Kann ich dir helfen?«
»Du kannst gerne im Wohnzimmer decken. Wenn ich allein bin, mache ich mir nicht die Mühe, mit Besteck und Tellern hin- und herzurollen, sondern esse in der Küche. Aber die Aussicht ist vom Sofa aus besser. Setz dich nachher gerne dorthin. Ich sitze ja bereits.«
Dieser Kommentar klang weder ironisch noch von Selbstmitleid erfüllt. Fredrik betrachtete das Porzellan. Rosenthal. Es war sehr lange her, dass er Kaffee oder Tee aus so dünnem Porzellan getrunken hatte. Vielleicht bei seiner Großmutter, als er noch richtig klein gewesen war.
»Du wohnst sehr schön. Das ist ein fantastisches Haus.«
»Danke. Papa hat es mir gekauft. Er ist ein Engel. Aber ich habe es eingerichtet.« Stella rollte mit einem Apfelkuchen aus der Küche. Fredrik nahm ihr den Teller ab und stellte ihn auf den Tisch. Wenig später erschien Michael mit einer Kanne frisch aufgegossenem Tee.
»Mehr wird nicht geboten«, sagte er.
»Papa!« Stellas Stimme war entrüstet, und Fredrik beeilte sich zu versichern, das sei mehr als genug, während er ihren Händen zusah, die die Räder des Rollstuhls bewegten. Die Muskeln spannten sich unter der Bluse.
Er fragte sich, was wohl von ihm erwartet wurde und warum er hier war. Michael hätte ihn nie mitgenommen, wenn er
damit nicht irgendeine Absicht verfolgt hätte. Wusste Stella, was er vorhatte?
Erst nachdem Michael und er eine Weile auf dem Sofa gesessen, die Aussicht in den Garten bewundert und den Tee und den Kaffee, den Stella für Fredrik trotz seiner Proteste aufgebrüht hatte, probiert hatten, begann Michael zu sprechen.
»Meine Tochter ist die fähigste Person, die ich kenne. Sie war es jedenfalls bis vor gut einem Jahr, als sie noch gehen konnte, und sie ist es immer noch, auch nach dem, was geschehen ist. Ich erwähnte ein Unglück, Fredrik. Ich meinte das hier.«
Fredrik schwenkte seine Tasse und wusste nicht recht, was er antworten sollte. Er war sich nicht sicher, ob Stella damit einverstanden war, dass ihr Vater ihr Privatleben mit einem Fremden besprach. Sie schien jedoch weder verärgert noch traurig zu sein. Sie schob eine blonde Strähne beiseite, die in die Stirn gerutscht war, und sah ihn fast fröhlich an.
»Vermutlich interessiert es dich überhaupt nicht, aber viele Menschen möchten gerne etwas über die Ursachen einer
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