Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
Zusammensein verlassen muss, aber ich muss zurück ins Fata Morgana«, sagte er. »Kommst du mit, Fredrik?«
Die Frage war rhetorisch. Stella wendete ihren Rollstuhl und versicherte ihnen, sie könne alleine abräumen. An der Tür reichte sie Fredrik die Hand, und dieser hielt sie etwas zu lange fest. Er wünschte sich, sie küssen zu können, sah aber ein, dass das absurd gewesen wäre.
»Danke«, sagte er stattdessen nur. »Und zwar für mehr als den Kaffee und den Apfelkuchen. Ich hoffe, wir sehen uns wieder.«
»Ich hoffe nicht nur, dass wir uns wiedersehen, ich gehe davon aus. Dann tische ich mehr auf als nur Kaffee und Apfelkuchen. Das ist mir etwas zu schwedisch, obwohl es gut ist.«
Sie lächelte und winkte ihnen von der Haustür aus zu, als sie ins Auto stiegen und aus der Einfahrt rollten. Fredrik wusste nicht, was er sagen sollte.
»Ihr Schwedisch ist im Unterschied zu meinem fast perfekt. Miteinander reden wir allerdings nur Deutsch.« Michael beantwortete damit eine Frage, die Fredrik nur ganz am Rande durch den Kopf gegangen war.
»Sie ist fantastisch«, meinte er schließlich, ohne weiter auf Stellas Sprachgefühl einzugehen. Michael antwortete nichts, und sie fuhren schweigend weiter. Sie näherten sich der Stadt, aber dann bog Michael in Richtung der südlichen Vororte ab, die Fredrik nur selten besuchte. Sie fuhren an Gärten und
niedrigen Mietshäusern vorbei und hielten dann auf einem Parkplatz neben einer Reihenhaussiedlung. Michael stellte den Motor ab und wandte sich dann an Fredrik.
»Ich schaue mir gerne alte Filme an«, sagte er. »Ich kann sie immer wieder sehen. Diese Filme habe ich aufgenommen, als wir noch eine ganze Familie waren. Als meine Frau noch lebte. Als Stella noch auf dem Rasen herumrannte. Ich sehe diese Beine, die sich bewegen, und denke daran, dass sie den Rest ihres Lebens an den Rollstuhl gefesselt ist, und ich hasse. Das bedeutet nicht, dass ich nicht auch stolz auf sie bin. Aber ich hasse. Ich kann nicht vergeben. Vielleicht könnte ich das, wenn er für seine Tat die Verantwortung übernommen hätte. Aber das hat er nicht. Wie so viele andere. Glaube nur nicht, ich wüsste nicht, wer sie sind. Ärzte, Anwälte und Unternehmer oder auch Bauern und Arbeiter, die überzeugte Nazis waren, als das gefragt war, und dann entlaust zu guten Demokraten wurden. Das ist überall gleich. Natürlich kann man verzeihen, aber wie soll das zugehen, wenn der Täter nicht einmal sein Verbrechen gesteht?«
Er deutete auf eines der Häuser. Aus Backstein. Vor der Garage stand ein rotes Auto, im Garten eine Schaukel.
»In diesem Haus wohnt ein Mann, der ab und zu zu viel trinkt. Er hat eine Frau und drei Kinder. Oder hatte, muss ich wohl sagen. Sie sind nach dem Vorfall ausgezogen. Ich glaube, sie wohnen in einer anderen Stadt, weil sie dort Arbeit bekam. Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Schaukel abzubauen. Das ist wohl so, wenn man zu viel trinkt.«
Er blickte durch das Autofenster. Seine Stimme war belegt.
»Ihm wurde eine Weile der Führerschein entzogen. Ein Monat Gefängnis. Geldstrafe. So viel waren Stellas Beine wert. Sogar das hätte ich akzeptieren können, wenn er sich gemeldet hätte. Aber das hat er nie getan, wie Stella schon gesagt hat. Hat sogar noch gelogen. Hat sich der Zahlung der Versicherungssumme widersetzt. Mit knapper Not ist Herr Ahlenius
der Entlassung von seiner Zeitung entgangen und trinkt jetzt vermutlich noch mehr als früher. Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass er immer noch dieses blutbesudelte Auto fährt, obwohl er betrunken ist? Ich habe oft genug hier gestanden und ihm zugesehen, wie er zu seinem Auto wankte. Jedes Mal habe ich die Polizei angerufen. Und haben die was unternommen? Nein. Die halten niemanden auf, der betrunken Auto fährt, wenn am anderen Ende der Stadt ein Mord begangen wird. In diesem Viertel wohnen viele Familien mit Kindern. Wer ist das nächste Opfer? Der kleine Junge aus dem Nachbarhaus, der überfahren wird, wenn er seinen Ball holt, oder die alte Frau an der Ecke, die nicht mehr schnell genug über die Straße rennen kann, wenn Gefahr droht?«
»Michael, ich weiß nicht, worauf du hinauswillst?«
»Das weißt du, Fredrik. Ich habe diese Menschen über, die ungeschoren davonkommen, während ihre Opfer lebenslänglich bekommen. Das kann nicht gerecht sein. Meine Familie und ich, wir wissen was geschieht, wenn man das Gesetz nicht mehr auf seiner Seite hat. Ein gelber Stern auf dem Mantel, und schwupp
Weitere Kostenlose Bücher